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Auf Khukuris Schneide

Bandipur: Traumhaft Trailbiken in Nepal

8 Minuten Lesezeit
Manchmal schwebt der Schlüssel zum Glück näher, als man denkt: Nach Tagen der Ungewissheit kann Thomas Plank sein Bike-Abenteuer in Nepal fortsetzen. Auf dem Weg nach Bandipur kommt er einem Traumtrail auf die Spur. Auch der Manaslu wartet.

Seit Tagen warte ich zusammen mit den Mechanikern von Himalayan Single Track auf das bestellte Kugellager, um mein Tretlager wieder funktionstüchtig zu bekommen. Tag um Tag werde ich auf einen späteren Liefertermin vertröstet, bis ich schließlich die Horrormeldung erhalte, dass das Teil erst am 22. Oktober lieferbar ist. Die Manaslu Umrundung soll allerdings schon am 19. Oktober starten – Spielraum gibt es aufgrund des bereits feststehenden Rückflugtermins keinen.

Verzweifelt und frustriert sitze ich im Büro von HST und starre entnervt an die Decke. In meinem Kopf drehen sich miesen Gedanken: Muss ich die Tour der Touren, deren Anspruch an Fahrkönnen und Bike weitaus mehr verlangt als all die anderen Touren, wirklich mit einem fremden, nicht vertrauten und schon stark durchgerittenen Leihrad fahren? Besteht nicht irgendeine andere Möglichkeit das Lager zu bekommen? Meine Augen fixieren die Decke und nehmen die dort oben aufgehängten Fahrradrahmen nur verschwommen war.

Bandipur: Das nepalesische Italien.

Thomas Plank

Bandipur: Das nepalesische Italien.


Trümmerhaufen & Nepals Teilesortiment

Plötzlich füllt mein Blick auf einem Detail: „Ist das denn die Möglichkeit?!“ entfährt es mir völlig begeistert und mein Verdacht wird schnell bestätigt. Die Truvativ-Kurbel, die in einem der Rahmen verbaut ist, besitzt ebenfalls ein BB30 Tretlager von SRAM, was impliziert, dass die Kugellager auch bei meinem Cannondale passen müssten. Eben war ich noch am Boden zerstört. Jetzt baue ich euphorisch und bedeutungsschwanger das Lager in meinen Rahmen und sitze im nächsten Moment zu einer Testfahrt auf meinem Bike. Die Kettenführung surrt, die Kurbel lässt sich butterweich treten und die Schaltung klackert. Die Töne klingen wie Musik in meinen Ohren. Das Mechanische-Ensemble kann den anstehenden Konzertplan nun doch erfüllen und am nächsten Tag sitze ich bereits im Bus nach Baradi.

Die Medihimal-Tour: Auf Khukuris Schneide

In Baradi erwartet mich meine Freundin Christina, die dort seit fünf Wochen als Freiwillige für Medihimal arbeitet, jene Entwicklungshilfe leistenden Organisation aus München, die auch mich bei meinem Nepal-Vorhaben im Vorfeld und während der Recherchen vor Ort unterstützt. Als Englisch-Lehrerin gibt Christina in einer von der Organisation errichteten Schule Unterreicht für die höheren Klassen. Untergebracht ist sie bei der Familie Basantar Gauli wo auch ich die nächsten zehn Tage leben, essen und schlafen werde. Eine spannende Erfahrung die ich mir nicht entgehen lassen will.

Untertags suchen wir nach den besten Trails der Region und kommen so einer Hammer-Tour auf die Spur. Wir starten direkt von der Veranda der Gaulis, denn seit meiner Ankunft werde ich ständig vom Vater gefragt, wann ich nun endlich die Stufen, die zu ihrem Haus hochführen runterfahren würde. Christinas Erzählungen haben in ihm dermaßen die Spannung geweckt, dass er einen Jubelschrei ausstößt, als ich über die glitschigen Stufen nach unten auf die nicht minder rutschige Lehmstraße rumpele. Flott geht es weiter über einen Karrenweg bergab bis auf den Highway, der Katmandu mit Pokhara verbindet.

Es ist noch früh am Morgen, der Verkehr hält sich in Grenzen. Die Sonne bricht langsam durch den Nebel als wir Dumre erreichen. Hier verlassen wir die Hauptstraße und nehmen die Auffahrt nach Bandipur. Bandipur ist mittlerweile auch bei vielen Touristen ein beliebter Zwischenstopp auf dem Weg von Katmandu nach Pokhara. Es liegt weit oben auf einem Bergkamm, lockt mit nettem Flair, das an Italien erinnert und bietet wunderbare Blicke auf die Himalaya-Kette. Der Blick reicht von Manaslu und Annapurna bis zum Dhaulagiri. Die weißen Gipfel wirken im subtropischen Dschungel von Bandipur wie eine aufgestellte und bedruckte Papp-Wand – total skurril und unpassend.

Gratwanderung per Bike am Medihimal-Trail.

Thomas Plank

Gratwanderung per Bike am Medihimal-Trail.


Bandipur: Ins nepalesische Italien

In der mittlerweile sengenden Hitze geht es auf einer geteerten Fahrstraße in gemächlicher Steigung weiter bergauf. Über uns taucht ein Paraglider auf, der von einem steil abfallenden Berghang gestartet ist. Die Häuser von Bandipur sind schon in Sichtweite und die Straße flacht etwas ab. Der Pflichtteil ist erfüllt und ab jetzt beginnt der Spaß!
Nach Bandipur geht es auf einem ausgewaschenen Karrenweg weiter bergauf, im Anschluss führt ein Spitzentrail bis zur Abzweigung der Abfahrt. Diese kennen wir bereits und voller Vorfreude stürzen wir uns hungrig auf den Trail. Wegen des Regens vom Vortag zeigt sich der Trail ziemlich rutschig. Das kennen wir bereits zur Genüge, daher lassen wir uns davon mittlerweile nicht mehr einschüchtern. Die notwendige Fahrtechnik für diesen Untergrund entwickelt sich mit der Zeit und wir reagieren gekonnt auf jedes Wegrutschen.

Eine schmale Passage, auf deren linker Seite die Tiefe unnachgiebig saugt, wäre auch ohne schleimiges Moos schwierig genug. Mit ist es aber schlichtweg unverantwortlich und zu riskant die Stelle zu fahren. Also rutschen wir schiebend über die fraglichen 50 Meter und setzen danach unsere Abfahrt fort. Jetzt kommt der Höhepunkt der Tour: Von einem Moment auf den anderen finden wir uns auf einem exponierten Bergrücken, der zuerst steil und felsig nach unten zieht, später hingegen abflacht. Die Szenerie erinnert an das nepalesische Messer Khukuri, das auf den Kopf gestellt genau diese Form aufweist.

Das Buschwerk ist licht und wäre da nicht der technisch schwierige Trail, der volle Konzentration fordert, würde sich das Auge ewig am 8000er-Blick laben. Die Felsen im ersten Abschnitt sind rutschig und verzeihen kaum Fehler. Das Fahren wird zu einem Höllenritt auf Messers Schneide.

Abfahrt am sexy Singletrail

Nach etwa der Hälfte der Abfahrt verlässt man die Schneide und fährt mitten durch Buchweizen- und Reisfelder. Der Weg wird deutlich flowiger und führt durch ein kleines Dorf, in dem Frauen gerade Rugsie, Local Wine, brauen. Die älteste Dame steht, vornübergebeugt, an einem brodelnden Topf und riecht kräftig. Die Szene erinnert an Miraculix, der gerade seinen Zaubertrank abschmeckt. Doch im Gegensatz zum Druiden trägt die Frau ein türkises T-Shirt mit dem Aufdruck „I am sexy“ …

Die Abfahrt ist zweifellos unwahrscheinlich sexy und jeder Enduroist wird jauchzen vor Glück. Am Ende der Tour wartet ein knackiger Gegenanstieg und fordert noch einmal kurz etwas Mühe. Wir nehmen diese letzte Hürde und fliegen anschließend auf den geschmeidigen Wellen des Karrenwegs zurück zu unserem Ausgangspunkt.

Endlich zum Manaslu

Schlimmer Regen zwingt uns die nächsten Tage zum Nichtstun. Seit der Ankunft in Nepal habe ich nicht mal während des schlimmsten Monsun-Regens einen so anhaltenden und unnachgiebigen Schwall vom Himmel erlebt. Tagelang sitzen wir auf der Veranda, während der Regen auf das Blechdach hämmert und den Lehmboden vor unserem Haus in Kleinflüsse zerfurcht.

Tränen benetzen vor lauter Husten und Niesen meine Augen und die Nase juckt mit grausamer Lästigkeit. Die Grippe hat sich meiner Tag für Tag immer mehr bemächtigt. Jetzt befürchte ich sogar, dass der geplante Manaslu-Trip in wenigen Tagen dadurch gefährdet ist.

Endlich am Manaslu!

Thomas Plank

Endlich am Manaslu!


Omas TÜV-geprüftes Schaukelpferd: Auf nach Arughat

Als wir später im Bus Richtung Arughat sitzen wird mir bewusst, dass mein Schnupfen zwar auch bedenklich ist, der Regen aber eine weit größere Bedrohung für unser Vorhaben darstellt. Aufgrund des malträtierten Anfahrtswegs könnte die Tour bereits enden bevor wir sie überhaupt antreten! Die Straße ist in einem fürchterlichen Zustand. Ich werde während der Fahrt durchgeschüttelt, durch die Luft geschleudert und von herabfallenden Gepäckstücken unsanft getroffen. Auf dem einzig riesigen Schlagloch Straße finden sich Vertiefungen, die den Bus in Schräglagen ähnlich einer Achterbahnfahrt auf dem Rummel versetzen. Der heillos überfüllte Bus gähnt und krächzt unter den Kräften, die auf Achsen und Federn wirken. Omas TÜV-geprüftes Schaukelpferd wäre dagegen ein Hochgenuss.

Bei einer Fahrt wie dieser entfliehen die Gedanken dem Ort an den der Körper gefesselt ist. Ich denke, dass der „technische Überwachungsverein“ in Nepal alle Hände voll zu tun hätte. Wahrscheinlich würden alle Fahrzeuge für verkehrsuntauglich erklärt und Nepal wäre eine fahrzeugfreie Zone. Eigentlich ein schöner Gedanke …

Unsanft packt mich meine Freundin am Arm. Sie sitzt neben mir am Fenster und starrt immer wieder der gähnenden Tiefe und den steilen Abhängen entgegen, wenn der Bus durch ein tiefes Loch in eine neue außerordentliche Schräglage gewuchtet wird. Der Geruch von erbrochenen Steigt mir in die Nase. Das Kind neben mir hat soeben seinen ganzen Mageninhalt in einen Plastikbeutel umgefüllt und bekleckert meinen Rucksack auf dem es sitzt. Wann ist das hier endlich vorbei?!

Blaue Flecken für die Bikes?

Mittlerweile ist mein Glaube, dass die Mountainbikes in einem Stück ankommen, gebrochen. Ich hatte zwar geahnt, dass der Weg schlimm würde und die Räder bestmöglich mit Klamotten gepolstert und festgezurrt, aber wenn ich auf meinem Sitz bereits unzählige blaue Flecken bekomme, konnte ein Fahrrad die Fahrt nicht heil überstehen! Umso größer mein Staunen in Arughat: Ich kann es kaum glauben, als ich die Räder vom Dach hole. Nichts fehlt, sie haben die Fahrt anscheinend besser verkraftet als wir.

Die Fahrt ist überstanden, müde und ausgezerrt treffen wir unseren Guide. Die Grippe ist zwar nicht auskuriert aber für mich sicherlich kein Hindernis die Tour anzugehen. Unser größtes Problem ist und bleibt das Wetter. In Arughat sitzen viele Gruppen, die vor einigen Tagen umkehren mussten, weil am Pass zu widrige Bedingungen herrschten um diesen sicher überqueren zu können. Wir wollen es trotz der Unsicherheit versuchen und brechen Morgen zum ersten von zwölf aussichtsreichen Biketagen auf …

Freeride Nepal: Mehr von Thomas Planks Projekt

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