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Durch die höchste Wand der Ostalpen

Auf dem Berchtesgadener Weg durch die Watzmann Ostwand

5 Minuten Lesezeit
Die Ostwand des Watzmann in den Berchtesgadener Alpen ist die höchste Wand der Ostalpen - und gleichzeitig eine der am meisten begangenen Kletterrouten im bayerischen Alpenraum. Bergzeit Autor Maximilian Dräger hat die beeindruckende Wand über den Berchtesgadener Weg bestiegen.

Es gibt wohl keine Wand in den Ostalpen, die mehr Bergsteiger fasziniert und öfter mit traurigen Unfällen in den Lokalzeitungen Schlagzeilen macht. Vor allem kann ihr in Sachen Dimension kein anderer Felsriese das Wasser reichen. Wovon die Rede ist? Es geht um die legendäre Ostwand des Watzmann, die mit 1.800 Metern Höhenunterschied die höchste durchgehende Felswand der Ostalpen ist.

Watzmann Ostwand – ein ostalpiner Klassiker

Allein schon die Anreise zur Watzmann Ostwand nach Sankt Bartholomä per Schiff ist spektakulär.

Maximilian Dräger

Allein schon die Anreise zur Watzmann Ostwand nach Sankt Bartholomä per Schiff ist spektakulär.


Tja, und wie ist das immer mit diesen alpinen Klassikern? Meistens sind sie ziemlich respekteinflößend, vielleicht ein wenig gruselig, aber vor allem ziehen sie uns immer wieder in ihren Bann. So kam auch bei uns der Wunsch auf, einmal über den Berchtesgadener Weg – sozusagen dem „Normalweg“ durch die Wand – auf den Gipfel der Watzmann Südspitze zu klettern.

Bereits der Zustieg ist etwas ganz Besonderes: Mit dem Schiff geht es südlich von Berchtesgaden über den wunderschönen Königssee von Schönau zur Halbinsel St. Bartholomä, wo der Großteil der Bergsteiger eine Nacht im eigens für diesen Zweck errichteten Ostwandlager verbringt. Damit diese Möglichkeit auch weiterhin besteht, möchte ich an dieser Stelle nochmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Lager ausschließlich für Ostwand-Aspiranten gedacht ist und anderweitig nicht genutzt werden darf!

Aufstieg über die Eiskapelle

Die Übernachtung bringt am nächsten Tag den entscheidenden Zeitvorteil, sollte man nicht wie der aktuelle Rekordhalter Phillip Reiter im Jahr 2018 innerhalb von 1 Stunden und 52 Minuten durch die Wand sprinten wollen. In unserem Fall klingelt der Wecker um vier Uhr und wir sind pünktlich zum Sonnenaufgang an der Eiskapelle (830 Meter), dem am tiefsten gelegenen permanenten Schneefeld der Alpen und dem Einstieg zum „Berchtesgadener Weg“(max. 3+).

Zustieg durch das Eisbachtal: Im Hintergrund erkennt man schon die Eiskapelle.

Maximilian Dräger

Zustieg durch das Eisbachtal: Im Hintergrund erkennt man schon die Eiskapelle.


Zustieg durch das Eisbachtal: Im Hintergrund erkennt man schon die Eiskapelle.

Maximilian Dräger

Pause in der Wand: Die insgesamt 1.800 Meter Kletterhöhe zollen ihren Tribut.


Die Bezeichnung „Weg“ ist allerdings nicht wörtlich zu nehmen! Trotz einiger Haken und Markierungspunkte ist die Watzmann Ostwand quasi nicht markiert und man bewegt sich trotz einiger Gehpassagen größtenteils kletternd fort.

Über einen grasigen Rücken links des Schneefelds und einige Rinnen sowie Schrofengelände gelangt man zügig zu einer langen Querung, die ins große Schuttkar auf 1.340 Metern führt.

Die Abzweigung nach rechts auf eine plattige Rampe verpasst unsere Gruppe leider und anstatt in leichtem 1-2er Gelände emporzusteigen müssen wir hautnah erleben, welche Konsequenzen Unachtsamkeit bei der Wegfindung in der Ostwand haben kann.

In der Weite der Watzmann Ostwand verlieren sich die Kletterer.

Maximilian Dräger

In der Weite der Watzmann Ostwand verlieren sich die Kletterer.


In der Weite der Watzmann Ostwand verlieren sich die Kletterer.

Maximilian Dräger

Die Schwierigkeiten reichen in der Ostwand nicht über eine 3+ hinaus, durch unseren Verhauer müssen wir jedoch auch kurz durch 4er-Gelände.


Ein Versteiger und seine Folgen

Vor uns steilt die Wand auf und in nicht abzusichernder Kletterei schrubben wir über Platten im 4. Grad die Watzmann Ostwand nach oben. Insgesamt kostet uns dieser Verhauer rund eineinhalb Stunden, ehe wir wieder auf dem richtigen Weg sind. Die Orientierung ist – abgesehen von der Länge! – schlichtweg die größte Herausforderung bei der Besteigung und man ist gut beraten, den Routenverlauf penibel einzustudieren. Das Vergleichen verschiedener Topos ist dabei äußerst hilfreich!

Nach den zwei Spornen und einigen Klettermetern im zweiten Grad folgt schließlich eine der Schlüsselstellen der Tour:

Beeindruckender Tiefblick auf den Königssee aus der Watzmann-Ostwand.

Maximilian Dräger

Beeindruckender Tiefblick auf den Königssee aus der Watzmann-Ostwand.


Neben einer schwarzen Wand mit Wasserfall klettert man im dritten Grad über die sogenannte „Wasserfallplatte“ zu einem großen Absatz mit Ring auf 1.750 Metern. Diese Passage kann auch mit Hilfe der vorhandenen Bohrhaken gesichert werden, wir entscheiden uns jedoch gegen den Einsatz des Seils.

Vom Absatz geht es zunächst auf einem grasigen Band nach rechts und dann überraschend steil in einer Rinne im zweiten Grad zu einer kleinen Einsattelung auf 1.870 Metern. Allerdings vorsichtig! Dem Grasband sollte man trotz Steigspuren nicht zu weit nach rechts folgen, sonst verpasst man den Einstieg in die Rinne. An dieser Stelle überholt uns ein Bergführer, der die Ostwand wie seine Westentasche kennt und mit seinem Gast schnell vorankommt. Für uns eine willkommene Begegnung, da wir uns von nun an wenig Sorgen um die Routenfindung machen müssen und den beiden auf den Fersen bleiben.

Auf der Brotzeitwiese machen wir kurz Rast und genießen die Aussicht und den Blick hinab zum Königssee. Dann geht es über ein Schneefeld und schließlich über plattigen Fels und eine Rinne zur „Dabelsteinplatte“(2.240 Meter), von wo wir durch schottriges Gehgelände weiter zur Biwakschachtel steigen. Zeit für eine richtige Pause!

Steinschlag in den Ausstiegsrissen Richtung Watzmann-Gipfel

Nach der Schachtel geht es zunächst einige Meter nach rechts, dann nach links in eine brüchige Rinne und über zwei Steilstufen zum Einstieg der Ausstiegs-Kamine. Rrrrrrrrrssssssssshhhhh…klonk.. klonk.. – einige faustgroße Felsbrocken fliegen an uns vorbei. Ausweichen ist schlichtweg unmöglich. Ruhig bleiben, abwarten, hoffen. Alles gut! Es trifft keinen und wir können uns dem klettertechnisch schönsten Teil der Wand widmen.

Doch es ist nicht das erste und auch nicht das letzte Mal, dass wir Steinschlag begegnen. Das Klettern in der Watzmann Ostwand ist und bleibt, ganz objektiv betrachtet, einfach ein relativ gefährliches Unterfangen und ich möchte mir nicht ausmalen, wie es wohl an Tagen mit deutlich mehr Seilschaften ist. Hat man die Ausstiegskamine hinter sich gelassen, passiert man einen kleinen Sattel auf 2.630 Metern, wo die eigentliche Schlüsselstelle, die acht Meter hohe Schlusswand, auf einen wartet. Zwar ist eine Umgehung direkt zum Grat zwischen Süd- und Mittelspitze möglich, aber diese wirkt so brüchig, dass wir uns für die Diretissima entscheiden. Eine fest installierte Drahtschlaufe erleichtert das Hochsteigen und dann sind es nur noch wenige Meter zum Grat, dem wir kurz nach links auf den Gipfel der Watzmann Südspitze folgen. High five! Geschafft!

Auf der Watzmann-Südspitze gibt es erst einmal eine Brotzeit.

Maximilian Dräger

Auf der Watzmann-Südspitze gibt es erst einmal eine Brotzeit.


Abstieg über das Wimbachgries

Nach einer aussichtsreichen Gipfelrast hat man nun zwei Möglichkeiten für den Abstieg ins Tal: Entweder man hängt die Watzmann-Überschreitung über die Mittelspitze, Hocheck und das Watzmannhaus noch an die Tour und gelangt so über die Kühroint-Alm wieder zum Nordufer des Königsee oder man steigt, wie wir, nach Süden in das Wimbachgries ab und endet an der Wimbachbrücke. Von dort aus geht es dann entweder mit dem Bus oder per Anhalter wieder nach Schönau zurück.

Beide Varianten haben durchaus ihren Reiz, sollten aber bei der Tourenplanung aufgrund ihrer Länge (man steigt eben rund 2.000 Höhenmeter ab) nicht vernachlässigt werden. Einkehrmöglichkeiten gibt es sowohl auf der Wimbachgrieshütte als auch auf dem Watzmannhaus.

Fazit zur Watzmann Ostwand

Die Watzmann Ostwand ist nicht umsonst ein großer alpiner Klassiker und auf dem Berchtesgadener Weg hat man als routinierter Bergsteiger vermutlich wenig klettertechnische Probleme. Allerdings sollte man sich genauestens mit dem Routenverlauf auseinandersetzten, um die Schwierigkeiten bei der Orientierung zu bewältigen. Perfektes Wetter und eine sehr gute Kondition vorausgesetzt, erwartet einen ein wunderschönes Bergerlebnis mit viel Luft unter den Sohlen. Der Berchtesgadener Weg ist damit eine der Touren in den Alpen, die man unbedingt mal gemacht haben sollte!

HINWEIS: Die Kletterei in der Wand geht zwar nicht über den dritten UIAA-Grad hinaus, trotzdem sollte man sich, wenn man sich unsicher ist, ob man den klettertechnischen Schwierigkeiten der Tour gewachsen ist, einen Bergführer nehmen.

🏔️Die wichtigsten Informationen zur Watzmann Ostwand
  • Lage: Berchtesgadener Alpen, Bayern
  • Ausgangspunkt: Schönau am Königssee (ca. 5 km von Berchtesgaden)
  • Gipfelhöhe: 2.712 Meter (Watzmann Südspitze)
  • Wandhöhe: 1.800 Meter, 3,5 Kilometer Kletterlänge
  • Schwierigkeit: 3+ (UIAA)
  • Absicherung: alpin bzw. gar nicht
  • Exposition: Ost
  • Stützpunkt: nicht bewirtschaftetes „Ostwandlager“ in St. Bartholomä (keine Reservierung notwendig, 35 Plätze, steht von Anfang/Mitte Juni bis Anfang/Mitte Oktober nur für Ostwand-Begeher offen!)
  • Stützpunkt (Notfall): Watzmann Ostwand Biwakschachtel (unbewirtschaftet, 10 Notfall-Übernachtungsplätze), 2.380 Meter
  • Zeitplan:
    Ostwandlager – Eiskapelle: 1 Stunde
    Eiskapelle – Südspitze: 7 bis 8 Stunden
    Abstieg über Wimbachgries: ca. 5 Stunden
  • Ausrüstung: Kletterhelm, Zustiegsschuhe, Kletterausrüstung inkl. 50 Meter Seil, 3 Expressschlingen, evtl. Grundsortiment Klemmkeile

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