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Vielseitiger Sport

Welche Kletterdisziplinen gibt es eigentlich?

6 Minuten Lesezeit
Zum ersten Mal in der Geschichte Olympias war Klettern in diesem Jahr dabei. Doch welche Kletterdisziplin eigentlich? Und welche Formen des Kletterns gibt es sonst noch? Profi-Kletterin und Bergzeit Autorin Natalie Bärtschi gibt den Überblick.

Klettern ist mit all seinen Spielformen unglaublich vielseitig und abwechslungsreich. Das ist nur einer von vielen Gründen, warum ich diesem Sport verfallen bin. Wir alle teilen diese Leidenschaft und doch hat Klettern je nach Region, Jahreszeit und nicht zuletzt persönlichen Vorlieben für jeden eine andere Bedeutung. Während Klettern für die einen stundenlange Zustiege mit viel Material beinhaltet, brauchen andere nicht viel mehr als ein Paar Schuhe und Chalk. Hier eine kurze Übersicht zu den einzelnen Disziplinen.

Bouldern (olympische Disziplin)

Die erste Olympische Disziplin als Teil von insgesamt drei im Olympic Combined Format ist Bouldern. Bouldern ist Klettern auf Absprunghöhe – gesichert durch Schaumstoffmatten, die einen möglichen Sturz abfangen. Ein Boulder besteht aus wenigen aber oftmals technisch oder physisch anspruchsvollen Zügen. Diese spielerische Form des Kletterns ist für Anfänger besonders geeignet, da es dafür keinerlei Vorkenntnisse und kaum Material braucht. Lediglich ein paar Kletterschuhe und Chalk für schwitzige Hände und es kann losgehen. Ursprünglich war Bouldern eine Art Trainingsform fürs Sportklettern, bis es sich zur eigenständigen Disziplin entwickelt hat – mit Spitzenathleten wie Adam Ondra, Janja Garnbret oder Jan Hojer, die auf Weltcups gegeneinander antreten. Eine spezielle Art von Boulder sind die sogenannten Highballs, wo der Begriff Absprunghöhe nicht mehr ganz angebracht ist. Ein Sturz hätte hier oft fatale Folgen und der Kletterer übt die Sequenzen zuvor meist am Seil.

Zwei Frauen in der Boulderhalle
Bouldern – klettern in Absprunghöhe ohne Seil und Zwischensicherungen – ist eine populäre Kletterdisziplin. | Foto: Bergzeit

Sportklettern (olympische Disziplin)

Beim Sportklettern erfolgt die Sicherung durch ein Seil und einen Sicherungspartner. Dabei wird unterschieden zwischen Toprope und Vorstieg. Vorsteigen (Lead) ist die zweite olympische Disziplin und wird sowohl eigenständig sowie als Teil des Olympic Combined ausgetragen. Im Vorstiegsklettern werden regelmäßig Zwischensicherung eingehängt, um einen Sturz möglichst kurz zu halten. Beim Toprope ist das Seil bereits am Umlenker (also am obersten Ende der Route) eingehängt und somit kann sich der Kletterer jederzeit im Seil ausruhen. Sowohl beim Toprope als auch im Vorstieg ist eine korrekte Handhabung von Seil und Sicherungsgerät Pflicht. Diese können Anfänger in einem Grundkurs erlernen. Im Gegensatz zum Bouldern ist hier nebst Schwindelfreiheit und Maximalkraft auch ein gewisses Maß an Ausdauer gefragt.

Frauen Klettern Halle
Beim Vorstieg (Lead) bringt der Kletterer seine Zwischensicherungen selbst an. | Foto: Bergzeit

Speedklettern (olympische Disziplin)

Hier steht der Zeitaspekt im Vordergrund, also: Je schneller desto besser! Als dritte Disziplin neben Bouldern und Lead ist auch Speed Teil des Olympic Combined Format und wird auf einer genormten Route ausgetragen. Diese ist 15 Meter lang, 5 Grad geneigt und zählt 25 Griffe und Tritte. Zum bewältigen dieser Route benötigt der Rekordhalter Reza Alipourshenazandifar aus dem Iran gerade einmal 5.48 Sekunden – also etwa so lange, wie Du einmal tief einatmest! Mit 6.99 Sekunden konnte Aries Susanti Rahayu aus Indonesien bisher als einzige Frau den 7. Grad knacken. Doch auch draußen am Fels gibt es die Disziplin Speed, am bekanntesten ist wohl der Nose Speed Rekord am El Capitan im Yosemite, aufgestellt durch Alex Honnold und Tommy Caldwell.

Sportklettern am Fels

Im Unterschied zur Halle sind hier nur Bohrhaken und Umlenker vorhanden, die restliche Ausrüstung, insbesondere Zwischensicherungen, müssen selbst mitgebracht und eingehängt werden. Oftmals sind die Routen am Fels deutlich länger als in der Halle, weshalb auch ein längeres Seil benötigt wird. Die Möglichkeiten sind beinahe endlos, von Traumlinien in Spanien über spektakuläre Sandsteinformationen in Amerika bis hin zum heimischen Kalk ist hier für jeden etwas dabei. Die gängigste Bewertung in Europa ist die französische Skala und reicht zurzeit bis 9c. Weltweit gibt es bisher erst zwei Routen in diesem Grad, einerseits Silence erstbegangen durch Adam Ondra in Flatanger (Norwegen), andererseits Bibliographie im Céüse (Frankreich), welche Alexander Megos vor einigen Wochen punkten konnte.

Alpines Sportklettern / Mehrseillängen

Wie der Name schon sagt, bestehen diese Routen aus mehreren Seillängen (auch: Multipitch Climbing). Nach erfolgreichem Durchstieg einer Seillänge klettert der Sicherungspartner im Nachstieg bis zum Stand, danach wird die nächste Länge in Angriff genommen. Meist werden so größere Gipfel oder Wände bezwungen und nicht selten ist man dabei mehrere Stunden oder teilweise auch Tage in der Wand. Hier erfolgt der fließende Übergang zum Bigwall Klettern, wo ein Durchstieg an einem Tag kaum möglich ist und in der Wand biwakiert werden muss. Die Dawn Wall im amerikanischen Yosemite Nationalpark ist die zurzeit wohl schwerste Multipitch-Route weltweit und wurde 2015 von Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson erstbegangen. Die bisher einzige Wiederholung sicherte sich Adam Ondra 2016.

Mann und Frau klettern Mehrseillängentour
Bei Mehrseillängen müssen einer oder mehrere Standplätze zum Nach- bzw. Weitersichern errichtet werden. | Foto: Bergzeit

Parkour

Parkour ist eigentlich eine spezifische Form des Boulderns. Dabei kommt es zu dynamischen Zügen, die oft sehr viel Koordination, Präzision und Schwungeinsatz erfordern. Insbesondere im Wettkampf erfreut sich der Parkour Style aufgrund der spektakulären Bewegungen großer Beliebtheit bei einem jungen Publikum. Böse Zunge behaupten gerne, dass diese Form nichts mehr mit dem eigentlichen Klettern gemeinsam habe. Doch für viele Topathleten zählen Parkour Moves mittlerweile zum Standardrepertoire, genauso wie Leisten- oder Plattenkletterei.

Trad-Klettern

Beim Trad-Klettern, kurz für traditionelles Klettern, wird auf fixes Sicherungsmaterial wie Bohrhaken verzichtet. Die Absicherung erfolgt während der Begehung mittels mobilen Zwischensicherungen, welche danach wieder komplett entfernt werden. Es werden also keine Spuren hinterlassen, weshalb Trad-Klettern auch als clean bezeichnet wird. Abhängig vom Fels sind die Absicherungs­möglichkeiten sehr begrenzt was teilweise zu weiten Stürzen führen kann. Besonders geeignet zum Trad-Klettern sind Risse, da diese mit Klemmkeilen und Friends gut abgesichert werden können. Insbesondere im englischen Gritstone oder im amerikanischen Indian Creek erfreut sich Trad-Klettern großer Beliebtheit. Die Briten verwenden zur Bewertung der Schwierigkeit oftmals zusätzlich die E-Skala, welche nicht nur die physische sondern auch die mentale Komponente berücksichtigt.

Klettern an der Mirror Wall
Die Ausrüstung eines Trad-Climbers besteht aus allerlei mobilen Sicherungsgeräten wie Klemmkeilen, Friends, Hexen u.v.m. | Foto: Berghaus

Alpinklettern

Im Gegensatz zum alpinen Sportklettern steht hier nicht unbedingt die Schwierigkeit der Kletterei sondern das Erreichen des Gipfels im Vordergrund. Dies beinhaltet nicht selten mehrstündige Zustiege bevor überhaupt geklettert werden kann. Die Absicherung erfolgt über fixe und mobile Zwischensicherungen, welche beim technischen Klettern auch zur Fortbewegung genutzt werden dürfen. Dementsprechend ist hier eine ganze Menge Ausrüstung erforderlich. Nicht selten sind alpine Routen exponiert, schlecht abgesichert und somit potentiell gefährlich, weshalb genügend Erfahrung, das nötige Know-how und das richtige Material absolut essentiell sind.

Mixed-/Eisklettern

Beim Eisklettern werden Eisgeräte und Steigeisen benutzt, um Halt auf der glatten Oberfläche zu finden. Häufig gibt es zwischendurch auch felsige Abschnitte, welche mit den Eisgeräten bewältigt werden müssen, sogenanntes Drytooling. Besteht eine Mischung aus Fels und Eis, spricht man von Mixed Klettern. An Wettkämpfen wird teilweise auch an Kunstgriffen geklettert. Die Bewertung erfolgt auf einer eigenen WI-Skala (WI=Water Ice) bzw. M-Skala (M=Mixed) und ist zusätzlich von verschiedenen Faktoren wie Temperatur und Sonneneinstrahlung abhängig. Niedrige Temperaturen sind hier zwingend, weshalb Eisklettern eigentlich nur im Winter ausgeübt werden kann. Im Gelände kann Qualität und Form vom Eis stark variieren, weshalb auch hier gute Vorkenntnisse nötig sind.

Weitere Beiträge rund ums Klettern im Bergzeit Magazin

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