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Die Spreu vom Weizen trennen

Nachhaltige Merinowolle: Darauf solltest Du bei der feinen Faser achten

6 Minuten Lesezeit
Warum ist nachhaltige Merinowolle besser? Welche Hersteller verwenden nachhaltige Merinowolle und wie lauten die wichtigsten Siegel? Bergzeit Autorin Julia Gebauer erklärt Dir, wo die Unterschiede liegen und worauf Du beim Kauf von Produkten aus Merinowolle achten solltest.

Nachhaltige & langfristige Verträge mit Lieferanten

Schur von Schaf in einem Stall
Vor allem die Haltung und die Schur haben Auswirkungen darauf, ob es einem Tier gut geht oder eben nicht | Foto: Icebreaker

Merinowolle hat immer dann die beste Qualität, wenn es den Schafen gut geht, sie auf offenen Weiden grasen und sie artgerecht leben können. Wolle wächst zwar immer wieder nach, aber sie wächst eben auf einem Tier. Dieses Tier darf keinesfalls nur als „Lieferant“ gesehen werden, das es auszubeuten gilt. Wie sehr auf das Tierwohl geachtet wird, ist daher eines der wichtigsten Kriterien bei nachhaltiger Merinowolle. Vor allem die Haltung und die Schur haben Auswirkungen darauf, ob es einem Tier gut geht oder eben nicht.

Unternehmen wie Icebreaker, Mons Royale, Ortovox, Aclima oder Devold setzen daher ausschließlich auf die Zusammenarbeit mit Schaf-Farmern, die Tiere und Natur wertschätzen und gut behandeln. Meistens werden hier langfristige Verträge mit einzelnen Farmer-Familien abgeschlossen. Diese müssen wiederum garantieren, dass die „5 Freiheiten für Tierwohl“ des Farm Animal Welfare Council’s eingehalten werden:

1. Freiheit von Hunger, Durst und Fehlernährung
2. Freiheit von Unbehagen
3. Freiheit von Schmerz, Verletzung und Krankheit
4. Freiheit von Angst und Leiden
5. Freiheit zum Ausleben normalen Verhaltens

Icebreaker, mit der größte Anbieter für Merino-Sportkleidung, legt etwa mit dem Transparency Report seinen kompletten Herstellungsprozess offen, um die hoch gesteckten Anforderungen an Tierschutz und eine nachhaltige Wertschöpfungskette mit Fakten zu belegen.

Eine große Auswahl an Kleidung aus nachhaltiger Merinowolle findest Du im Bergzeit Shop:

Kein Mulesing für Schafwolle

Gerade in Australien ist jedoch die umstrittene Praxis des „Mulesing“ verbreitet. Hierbei wird den Lämmern ohne Betäubung die Haut rund um den Schwanz weggeschnitten, um den Befall mit Fliegenmaden zu vermeiden. Das „Mulesing“ ist eine grausame und schmerzhafte Verstümmelung der Tiere und aus Tierschutzgründen entschieden abzulehnen. International wird diese Praxis heftig kritisiert, in Deutschland ist sie verboten.

Achte also darauf, nur von Herstellern zu kaufen, die bei ihrer Produktion auf mulesing-freie Schafhaltung zurückgreifen können. Zum Glück wird diese Liste immer länger.

Eine Herde von Schafen auf einer Wiese
Achte darauf, nur von Herstellern zu kaufen, die bei ihrer Produktion auf mulesing-freie Schafhaltung zurückgreifen. | Foto: Ortovox

Die Aufbereitung des Rohstoffs Wolle – ohne Energie geht es nicht

Merinowolle ist ein nachwachsender Rohstoff, der vollständig biologisch abbaubar ist. Zur Herstellung werden auch keine Düngemittel oder Pestizide (wie etwa bei Baumwolle) benötigt, ebenso wenig fossile Rohstoffe wie Erdöl (wie z.B. bei Kunstfasern). Doch auch wenn es ein nachwachsendes Produkt ist, hat die Herstellung Auswirkungen auf Menschen, Tiere und unseren Planeten. Auch Wolle braucht Energie, Wasser und Chemikalien, damit aus dem Rohstoff „Schafspelz“ ein Textil werden kann.

In der Ökobilanz von Merinowolle schlägt etwa der relativ hohe Wasserverbrauch beim Waschen der Wolle und der Färbe- und Glättungsprozess zu Buche. Auch der Transport ist ein Thema: Bevor das Shirt aus Merinowolle in Deinem Schrank liegt, hat es eine weite Reise hinter sich. Denn die feinste Wolle wächst nun mal auf den Schafen in Neuseeland oder Australien – am anderen Ende der Welt. Leider wird Merinowolle häufig mit Chemikalien behandelt, sodass sie den Materialeigenschaften synthetischer Materialien in nichts nachstehen: Um Merinowolle beispielsweise besser pflegen zu können, werden die Naturfasern teils mit Kunstharzen überzogen. Das „irritiert“ die Wolle und sie verliert damit ihre natürliche Fähigkeit zur Selbstreinigung.

Nahaufnahme Schafspelz
Auch Wolle braucht Energie, Wasser und Chemikalien, damit aus dem Rohstoff „Schafspelz“ ein Textil werden kann. | Foto: Icebreaker

Imprägnierung von Merinowolle?

Wolle hat einen hohen natürlichen Fettgehalt (das sogenannte Lanolin), wodurch die Faser ohne jede Nachbehandlung bereits wasser- und schmutzabweisend ist. Dieses Wollwachs oder auch Wollfett ist besser als jede künstlich vorgenommene Imprägnierung und funktioniert wie eine eingebaute Waschmaschine.

Recycelte Wolle

Das Fördern und die Verarbeitung von Merinowolle als Rohmaterial hat einen erheblichen Einfluss auf die Umwelt. Patagonia geht deshalb einen Schritt weiter und hat sich zum Ziel gesetzt, 100 Prozent recycelte Materialien für ihre Produkte einzusetzen. Indem sie gebrauchte Wolle anstelle von neuer Wolle verwenden, können nach eigenen Angaben CO2-Emissionen um 44 Prozent reduziert werden.

Wenn Du ein Produkt mit dem Zertifikat „Global Recycle Standard“ in der Hand hast, weißt Du dass die recycelten Materialien den festgelegten gesellschaftlichen, ökologischen und chemischen Produktionsprozessen entsprechen.

Die verschiedenen Wollstandards

Begriffe wie „Bio“ oder „Öko“ sagen erstmal nicht viel über nachhaltige Merinowolle aus. Merinowolle kann sich „bio“ nennen, deshalb muss sie aber nicht nachhaltig sein. Immer mehr Unternehmen stützen sich daher auf standardisierte Siegel. Damit weisen sie nach, dass sie die oben genannten Punkte bei der Produktion von Merinowolle einhalten und ihre Merinowolle auf artgerechte und umweltverträglicher Art und Weise gewinnen. Diese Produkte kannst Du also guten Gewissens kaufen. Dazu zählen unter anderem:

Schafherde, im Hintergrund ein Berg
Standardisierte Siegel für die Beschaffung und Produktion von Merinowolle helfen einzuschätzen, unter welchen Bedingungen das Produkt hergestellt wurde. | Foto: Icebreaker

ZQ

Das ZQ-Zertifikat ist besonders im Hinblick auf Tierschutz ein glaubwürdiges Siegel. Die Anforderungen sind streng, die Kontrollen regelmäßig und umfangreich. Du kannst bei einem Merinowoll-Produkt mit ZQ-Siegel also sicher sein, dass die Wolle ohne qualvolles Mulesing gewonnen wurde und die Schafe ethisch verantwortungsvoll gehalten wurden. Das Siegel wird seit 2005 von der New Zealand Merino Company vergeben.

Naturtextil

Mit dem Siegel „Naturtextil – IVN Zertifiziert BEST“ siehst Du auf den ersten Blick, dass das Produkt aus Merinowolle garantiert ökologisch und sozialverträglich hergestellt wurde. Außerdem ist es frei von Schadstoffen und qualitativ hochwertig. So werden nur Produkte gekennzeichnet, die nach strengen Richtlinien produziert und kontrolliert wurden – das gilt für den gesamten Herstellungsprozess von der Rohstofferzeugung über das Spinnen, Weben und Nähen bis hin zu Färbung und Ausrüstung.

GOTS

Das internationale GOTS-Zertifikat sagt Dir, dass Du ein nachhaltig produziertes Produkt vor Dir hast, das auch fair gehandelt wurde. Diese „Global Organic Textile Standards“ umfassen zwar nicht ganz so strenge Regelungen: nur 70 Prozent des Faseranteils müssen aus kontrolliert biologische Tierhaltung stammen. Daher ist diese Zertifizierung für Produkte relativ leicht zu erhalten. Du kannst Dir jedoch sicher sein, dass keine schädlichen Chemikalien verwendet wurden und mit Energie sparsam umgegangen wurde.

RWS

Beim Responsible Wool Standard (RWS) handelt es sich um einen weltweit gültigen, freiwilligen Standard für Produzenten von Schurwolle. Insgesamt haben sich schon 15 Marken darauf verpflichtet, darunter auch Vaude. Er garantiert, dass die Wolle mulesing-frei gewonnen wurde. Jedoch können mit dem RWS Chemikalien zum Einsatz kommen.

Hier findest Du im Bergzeit Shop alle Produkte, die nach dem Responsible Wool Standard hergestellt wurden: Outdoor-Produkte nach Responsible Wool Standard.

OWP

Ortovox hat einen eigenen, noch strengeren Wollstandard eingeführt – den „Ortovox Wool Promise“ (OWP), der satte 64 Punkte enthält. Im Mittelpunkt stehen natürlich die nachhaltige Produktion von Merinowolle, der Schutz der Tiere, aber auch Farm- und Landmanagement. Auch Schlachtung und Transport sind ein Thema, um auch wirklich die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken. Der OWP bedeutet maximale Transparenz für den Verbraucher, aber auch das höchstmögliche Tierwohl.

Ortovox CEO steht vor einer Schafsherde
Ortovox – Wearing is caring. Dies zeigt die Marke mit ihren hohen Standards für nachhaltige Wolle im „Ortovox Wool Promise“ | Foto: Ortovox

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