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Gegen den Strom

Bergtour auf die Ehrwalder Sonnenspitze

7 Minuten Lesezeit
Eine Bergtour auf die Sonnenspitze bei Ehrwald in Tirol kann abenteuerlich sein. Vor allem wenn man entgegen der üblichen Route aufsteigt und plötzlich vor dem Nichts steht. Andreas berichtet über eine Besteigung mit Hindernissen.
Die Sonnenspitze bei Imposant präsentiert er sich vor us: Der Gipfel der Ehrwalder Sonnenspitze, das Ziel unserer Bergtour. | Foto: Andreas Burger
Imposant präsentiert er sich vor uns: Der Gipfel der Ehrwalder Sonnenspitze, das Ziel unserer Bergtour. | Foto: Andreas Burger

Ein kurzes und spontan geplantes Abenteuer hatten wir uns da ausgesucht. Eigentlich wollten wir Kraxeln gehen, aber mein lieber Freund musste sich ja beim Biken unbedingt die Rippen prellen. Kurzerhand umentschieden, suchten wir uns die Ehrwalder Sonnenspitze aus. Sie sollte Ziel unserer Bemühungen werden.

Die Sonnenspitze in Ehrwald (2.417 Meter) befindet sich in Tirol in Österreich. Sie gehört zum Gebirge der Mieminger Kette. „Großartige und anspruchsvolle Bergtour mit leichter Klettereinlage (UIAA bis II) auf einen markanten Gipfel” – lesen wir in der Beschreibung. Klingt sehr ansprechend, genau das Richtige für uns und einen schönen Tag in den Bergen. Die Gehzeit ist mit etwa sieben bis acht Stunden angegeben.

Ausgangspunkt: Ehrwald in Tirol

Mit gepacktem Wanderrucksack geht es über die A95 von München Richtung Garmisch und weiter  auf der B2. Dort biegt man rechts Richtung Fernpass/Reutte ab und folgt der Landstraße bis Ehrwald. Startpunkt ist der Parkplatz an der Talstation der Ehrwalder Almbahn.

Wir entscheiden uns für den kurzen, aber knackigeren Weg nach oben und steigen von Norden kommend zu, umrunden durch Wald und über Geröllfelder den Bergfuß und kommen schließlich am Seebensee unterhalb der Coburger Hütte an.

Auf die Ehrwalder Sonnenspitze: Aufstieg mit Hindernissen

Lang sind wir noch nicht unterwegs und alles scheint erstaunlich leicht zu gehen. Hier und da ein paar tiefe Blicke ins Tal, die mental durchaus fordern können. Von Anstrengung bisher keine Spur.

Der Normalweg führt weiter geradeaus um den Seebensee und dann über die Coburger Hütte und den Südgrat zum Gipfel. Wir folgen allerdings vor dem See einem Weg nach rechts und wollen sozusagen „von hinten” auf den Berg zu gelangen. Eine Fehlentscheidung, wie sich später herausstellen wird – und die wir auch nicht zur Nachahmung empfehlen.

Umdrehen als beste Option

Mit dem Gipfel der Ehrwalder Sonnenspitze fest im Blick schreiten wir motiviert nach oben. Etwa bei der Hälfte des Aufstiegs stellen wir fest, dass sich alles anstrengender und langwieriger gestaltet als wir angenommen haben. Dazu die Mittagssonne, die uns auf die Köpfe brennt – und plötzlich meldet sich auch noch die Rippenprellung meines Freundes bei jedem Atemzug.

Der Seebensee ist ein einzigartiges alpines Idyll. | Foto: pixabay
Der Seebensee ist ein einzigartiges alpines Idyll. | Foto: pixabay

Was tun? Alle hundert Meter eine Pause, um doch nie oben anzukommen, ist keine Option. Umdrehen und Absteigen schon eher. Aber wir Kletterer lassen uns nicht unterkriegen – auch wenn wir gerade im Bergsteig-Modus sind und nicht am Seil in den Felsen hängen. Also geht es weiter bergauf, das Ziel immer noch vor Augen.

Als wir schließlich über die Baumgrenze hinauskommen und nur noch von Stein, Fels und Geröll umgeben sind – kann es doch nicht mehr weit sein! Doch die nächste Überraschung lauert schon. Die Steinmannderl, die uns den Weg zeigen, sind mit Blick nach oben nur schwer erkennbar. Diese sind wohl so ausgerichtet, dass sie von oben herab deutlicher zu sehen sind. Wenn man also – nicht wie wir – entgegen des Bergsteigerstroms aufsteigt.

Auf der Suche nach dem Weg nach oben passiert es: Ich klettere um einen größeren Felsblock, als sich plötzlich vor mir ein Abgrund auftut – ein Segelflieger fliegt hunderte Meter unter mir vorbei. Herzklopfen der anderen Art – schnell rückziehen und umdrehen, die einzige Lösung! Wir haben uns verlaufen. Und das schon beim Aufstieg, alles scheint nun gegen uns.

HINWEIS DER REDAKTION: Wir empfehlen die in der einschlägigen Führerliteratur empfohlenen Aufstiegsrouten auf die Ehrwalder Sonnenspitze. Das Befolgen der vom Autor beschriebenen Route geschieht auf eigene Gefahr!

Finales Gipfelglück auf der Ehrwalder Sonnenspitze

Auf Umwegen endlich am Ziel angekommen: Zwei strahlende Gesichter auf dem Gipfel der Ehrwalder Sonnenspitze. | Foto: Andreas Burger
Auf Umwegen endlich am Ziel angekommen: Zwei strahlende Gesichter auf dem Gipfel der Ehrwalder Sonnenspitze. | Foto: Andreas Burger

Doch wir geben trotzdem nicht auf und suchen weiter nach dem richtigen Aufstieg, was belohnt wird. Letztendlich kommen wir doch am 2,417 Meter hohen Gipfel an. Wir strahlen und gönnen uns eine kleine Auszeit sowie ein Siegerfoto mit wunderbarem Gipfelpanorama.

Nun wird uns erst so richtig klar, dass wir die Tour rückwärts gegangen sind. Die Gratüberschreitung, auf die wir den ganzen Aufstieg gewartet haben, ist nämlich ausgeblieben und liegt nun vor uns.

Abstieg gegen den Strom

Der Rückweg beginnt mit dem ersehnten Grat. Rechts und links geht es senkrecht nach unten – eine Herausforderung für den Kopf – denn die Gedanken sind in einer solchen Höhe sehr frei! Die Überschreitung bleibt weiterhin anspruchsvoll für Körper und Geist, lohnt sich bei Schwindelfreiheit aber definitiv. Nach einer markanten Scharte machen wir uns an den Abstieg.

Über Kletterstellen im II. und III. Grad geht es hinab. Wir sichern uns teilweise mit dem Kletterseil, da wir nun doch schon etwas länger unterwegs sind. Die Trittsicherheit hat bereits geringfügig nachgelassen, ein Risiko wollen wir nicht eingehen.

Die rote Route auf obigem Bild zeigt den Weg nach unten zur Coburger Hütte. Über steil abfallende Wege, Geröll und vorbei an Bergziegen geht es herab von der Sonnenspitze. Stets mit gigantischem Panorama und Blick auf das Wettersteingebirge inklusive Zugspitze. Zwischenzeitlich überrascht uns erneut der bereits erwähnte Segelflieger vom Aufstieg, diesmal jedoch weit über unseren Köpfen.

Der Rückweg zieht sich und ist länger als gedacht. So erreichen wir ziemlich kaputt die Coburger Hütte, wo wir uns eine wohlverdiente Pause gönnen. Bei Weißbier und Radler genießen wir den schönen Anblick auf Berge und See und tanken wieder Kraft.

Wohlverdiente Pause mit Panoarma auf dem Speichersee an der Coburger Hütte, bevor es wieder zurück zum Parkplatz geht. | Foto: Andreas Burger
Endlich die wohlverdiente Pause mit Panoarma auf den Drachensee an der Coburger Hütte, bevor es wieder zurück geht. | Foto: Andreas Burger

Unfreiwilliger Talhatscher

Nach all den Strapazen scheint der Parkplatz  jetzt in greifbarer Nähe – denken wir. Wie es aber der Zufall will, warten noch die Folgen einer weiteren Fehlentscheidung auf uns. Denn wir entscheiden uns gegen einen Rückweg auf der Aufstiegsroute, dazu sind wir zu erschöpft. Der einfache Forstweg ist einfach zu verlockend!

Hätten wir geahnt, wie lang die Route über die Fahrstraße nach unten ist, hätten wir die Abzweigung vorher genommen. So laufen wir zwar weiter gen Tal, aber in entgegengesetzter Richtung zu unserem Parkplatz.

  • Wichtig ist daher für alle, die etwas schneller nach unten wollen: Folgt nicht der Beschilderung am Forstweg Richtung Ehrwald, sondern biegt schon vorher links ab. Am Seebensee oder oberhalb des Steigs gibt es zwei Abstiegsmöglichkeiten. Sonst wird aus der geplanten Tour von gesamt sieben bis acht Stunden plötzlich eine elfstündige!

Auch wenn der Forstweg sehr angenehm zu gehen ist, brennen unsere Füße langsam. Er zieht sich einfach extrem in die Länge. Am Ende sind wir ganze drei Stunden länger unterwegs als geplant und kommen erst gegen 20 Uhr im Tal an. Das Ausziehen der Bergstiefel ist fast eine Erlösung und die Abkühlung im eiskalten Bergbach ein Genuss, bevor es mit dem Auto wieder nach Hause geht.

Alle Tour-Daten auf die Ehrwalder Sonnenspitze auf einen Blick

  • Anfahrt: über die A95 nach Garmisch und weiter über die Landesgrenze nach Ehrwald. Dort immer Richtung Parkplatz Ehrwalder Almbahn
  • Ausgangspunkt: Parkplatz der Ehrwalder Almbahn
  • Charakter & Schwierigkeit: Technisch teilweise anspruchsvolle Bergtour mit alpinem Charakter und Kletterei bis UIAA II (das gilt für den Normalweg!)
  • Höhenmeter: 1.496 Meter rauf und auch wieder runter. Der Parkplatz liegt auf 1.105 Meter, der Gipfel der Ehrwalder Sonnenspitze auf 2.417 Meter
  • Länge: 15,6 km (bei Abstieg wie wir über die Seebenalm und die Ehrwalder Almbahn)
  • Dauer: normalerweise 7 bis 8 Stunden – bei uns ganze 11, gemütliches Tempo, Versteigen und zünftiger Einkehr inklusive
  • benötigte Ausrüstung: Bergtour-tauglich sollte alles sein (für unsichere Bergsteiger oder Höhenangstler/Neulinge: Klettergurt, Prusikschlinge mit Karabiner, Halbseil (50 Meter), Abseilgerät und Helm) Mehr dazu in unserer Packliste Bergtouren.
  • Einkehrtipp: Coburger Hütte
  • Beste Zeit: Wenn kein Schnee mehr liegt und es trocken ist – also ab ca. Ende Juni

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Mehr Tourentipps rund um Mieminger Kette, Wetterstein- und Karwendelgebirge:

 

 

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