Als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal eine Boulderhalle aufsuchte, kramte ich ein Paar alte Kletterschuhe meiner Eltern aus dem Keller, um mir die Kosten für die Leihschuhe zu sparen. Die Schuhe waren von der Marke Boreal. Inzwischen hat mich der Sport fest im Griff. Es vergeht keine Woche, in der ich mich nicht in irgendeiner Art mit dem Klettern beschäftige. Wie passend also, dass ich den Synergy 2.0 von Boreal testen darf: ein High-End Schuhwerk, das speziell für den Wettkampf konzipiert wurde. Der Kreis schließt sich, da ich dieses Jahr zum ersten Mal an der Deutschen Meisterschaft im Bouldern teilnehmen durfte.

Julian Ernstberger
Die alten Schuhe von damals hab ich immer noch. Sie sind aber keineswegs vergleichbar mit der Neuheit von Boreal.
Im Vergleich zu den Schuhen von damals hat sich einiges getan. Während die Oldschool-Schlappen viel mit klassischen Straßenschuhen gemein haben, ähneln die Synergy 2.0 mehr einem US-amerikanischen Tarnkappenbomber. Das ist heutzutage lange nichts Außergewöhnliches, aber dennoch ein starker Unterschied zum Vorgängermodell, welches noch verhältnismäßig neutral anmutet.
Optisch reiht sich der Boreal Synergy 2.0 in die Riege der Premium Modelle der italienischen Konkurrenz à la Scarpa Drago, La Sportiva Solution Comp und auch Ondra Comp ein.
Kann der spanische Hersteller Boreal mit dem Synergy 2.0 Kletterschuh aber auch in puncto Funktionalität im Test mithalten? Finden wir es heraus!
🔧 Konstruktion: etwas neutraler im Hinblick auf Downturn und Asymmetrie, als andere Wettkampfschuhe und dadurch etwas präziser, wenngleich auch etwas weniger Unterstützung im Steilen
💰 Preis: Der Listenpreis ist deutlich günstiger als der, der meisten Top-of-Range Schuhe anderer Marken, wie zum Beispiel Scarpa, La Sportiva oder Tenaya
🎯 Zielgruppe: Eine gute Wahl für ambitionierte Wettkampfkletterer ab mittlerem/gehobenen Leistungsniveau aufwärts
Größe und Passform
Getestet wurde der Schuh in der Größe 41. Damit ist der Schuh definitiv eng, aber für einen High End Schuh sollte es ja auch nicht anders sein.
Insgesamt würde ich sagen, dass Kletterschuhe der spanischen Hersteller generell etwas kleiner ausfallen, da ich ähnliche Erfahrungen bereits mit Tenaya gemacht habe.
Als Hilfe hier noch ein paar Referenzen, welche Größen ich sonst so trage:
- Straßenschuhe: EU 44
- Boreal Synergy 2.0: EU41
- Tenaya Mastia: EU41/UK 7 (mittel)
- La Sportiva Cobra: EU41 (gemütlich)
- Scarpa Booster: 40,5 (eng)

Julian Ernstberger
Dieses Bild fasst sehr gut zusammen, was den Schuh ausmacht: Er ist sehr weich.
Dank der insgesamt sehr weichen Konstruktion passt sich der Schuh relativ schnell an den eigenen Fuß an. Das ermöglicht etwas mehr Downsizing beim Schuh, ohne es allzu schmerzhaft zu gestallten. Im Vergleich zum Vorgängermodell wurde auch das Volumen in der Ferse etwas reduziert. Damit sitzen die Versen bombensicher und man läuft nicht mehr Gefahr, den Schuh bei intensiven Heelhooks zu verlieren. Bei meiner ägyptischen Fußform haben meine kleinen Zehen zwar noch minimal Luft, das wirkt sich aber beim Klettern nicht negativ aus. Verglichen mit dem La Sportiva Ondra Camp, fällt der Schuh etwas schmaler aus.
🦶 Hier findest Du Tipps, wenn Du auf der Suche nach der richtigen Größe für Deine Kletterschuhe bist.
Konstruktion
Als Hochleistungsschuh hakt der Synergy 2.0 natürlich alle Punkte ab, die man erwarten würde:
Asymmetrische Form, starke Vorspannung und starker Downturn lassen keine Fragen offen, in welchem Einsatzbereich sich der Schuhs wohlfühlt.
Außer für das Bouldern im steilen Gelände, eignet sich der Schuh auf dem Papier also auch für modernes Wettkampfklettern, nicht zuletzt dank dem Verzicht auf eine Mittelsohle. Dadurch ist Synergy 2.0 besonders weich, was beim Anstehen von flachen Volumen deutlich hilft. Positiv fällt mir der Toehook-Gummi auf. Dieser bedeckt fast die gesamte Oberseite des Schuhs. Zum einen bietet das mehr Möglichkeiten beim Hooken, zum anderen erhöht das auch die Haltbarkeit des Toehook Patches.

Julian Ernstberger
Das Obermaterial aus dehnbarem Mesh, sowie etwas größer als gewöhnlichen Anzieh-Schlaufen ermöglichen ein flottes rein- und rausschlüpfen.

Felix Merk
Das Toepatch ist schön groß und die Textur soll dabei helfen, dass sich die Schuhe an Kanten aller Art festhaken.
Wie jeder andere Schuh in seiner Kategorie, handelt es sich auch bei der Neuerscheinung von Boreal um eine Slipper-Bauweise mit einem Klettverschluss. Zwar ist das Modell fast komplett mit Gummi umschlossen, jedoch verschafft das Obermaterial aus atmungsaktivem Mesh noch für ausreichend Belüftung für schwitzige Füße. Ein nettes Detail, sind die Anziehschlaufen. Sie fallen etwas größer aus, als ich es von La Sportiva und Scarpa gewohnt bin. Das macht das Anziehen etwas angenehmer, besonders, wenn man so wie ich etwas dickere Finger hat.
Der Boreal Synergy 2.0 Kletterschuh im Praxistest
Auf den ersten Blick macht der Synergy 2.0 einen sehr guten Eindruck. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Auch beim Bouldern am Plastik kann der Schuh punkten. Er ist allem voran sehr präzise. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass der Synergy 2.0 nicht ganz so asymmetrisch ist, wie der Scarpa Drago oder Ondra Comp.

Julian Ernstberger
Der Synergy 2.0 weist eine vergleichsweise geringe Asymmetrie auf, womit er sich besonders präzise anfühlt.

Julian Ernstberger
Besonders im flachen Terrain gefällt mir, wie gut ich die Tritte mit dem Schuh ertasten kann.
Die weiche Bauart des Schuhs trägt dazu bei, dass ich ein gutes Gefühl dafür bekomme, was sich unter der Sohle abspielt. Gleichzeitig ermöglicht der weiche Schuh es, möglichst viel Fläche auf etwaige Volumen zu bringen. Besonders gemerkt habe ich das beim Schleichen über flache Platten.

Miri Sikaljuk
Durch die weiche Konstruktion fällt es leicht, mit viel Sohlenfläche auf den Volumen zu stehen.

Miri Sikaljuk
Besonders bei Koordinations-Bouldern auf abschüssigen Volumen zeigt der Synergy 2.0 was er kann.
Bei Comp-Style Bouldern fühlt sich der Synergy 2.0 an, wie ein Fisch im Wasser. Die Sohle besteht aus Boreals hauseigenem Zenith Ultra Gummi. Dieser ist vergleichbar mit dem weit verbreitetem XS Grip 2 von Vibram.
Der Schuh ist griffig und ich kann mich auf ihn verlassen. Das ist unentbehrlich, wenn es darum geht, unfreiwillige Schienbein-Rasuren auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.

Miri Sikaljuk
Gerade für steile Dach Boulder mit dreidimensionalem Charakter ist der Synergy 2.0 ein Geheimtipp.
Im steilen Terrain bereitet mir der Schuh viel Freude. Zwar ist der Boreal Synergy 2.0 im Test nicht ganz so aggressiv wie seine Mitbewerber, was den Downturn und die Asymetrie des Kletterschuhs betrifft. Jedoch ist das für mich bisher noch nicht zum Problem geworden.
Tritte lassen sich im Steilen gut angeln und durch die ausgeprägte Spitze des Schuhs kann man sich gut an Incut-Tritten festkrallen.

Felix Merk
Toehooks sitzen gut und fest…

Felix Merk
…und selbiges gilt auch für Heelhooks.
Das Toehook-Patch ist vergleichsweise groß und fühlt sich ebenfalls sehr griffig an. Auch an der Wand kann es überzeugen. Der Schuh bleibt gut hängen an Kanten aller Art. Durch die großzügige Umschließung durch Klettergummi von allen Seiten, lässt sich der Schuh auch sehr vielfältig einsetzen für etwaige Verklemmungstechniken. Lediglich die Textur des Toehook Gummis gefällt mir nicht zu 100 Prozent. Hier hätte ich mir eine rauere Oberfläche gewünscht. Das ist aber Meckern auf sehr hohem Niveau, da mir so gut wie keine Schuhe einfallen, die es besser machen. Bei den Heelhooks habe ich nichts zu beanstanden. Die Verse ist fest umschlossen und Heelhooks fühlen sich absolut sicher an.

Miri Sikaljuk
Auf kleinen Tritten fühlt sich der Schuh dann nicht mehr ganz so sicher an, was der weichen Konstruktion geschuldet ist.
Die Kehrseite der fehlenden Midsole ist natürlich, dass man vom Schuh wenig Unterstützung bei kleinen Tritten bekommt.
Wer geübt ist, kann auch mit den Synergy 2.0 sehr viel aus den kleinsten Fußleisten rausholen, doch besonders leicht macht man sich das Leben dadurch nicht.
Das ist kein Kritikpunkt. Schuhe dieser Kategorie sind schlichtweg nicht dafür konzipiert. Für Wettkampfkletterer hat es sich daher bewährt, immer sowohl einen weichen Schuh wie den Synergy 2.0, als auch einen härteren Schuh im Gepäck zu haben, sollte einem mal eine kleintrittige Platte über den Weg laufen.
Der Schuh hat mich auch durch seine Verarbeitung überzeugt. Insgesamt ist alles sauber verklebt und es fallen keine Macken auf. Auch die Abnutzungserscheinungen haben sich während meines relativ intensiven Testzeitraums in Grenzen gehalten. Bloß beim Toehook-Patch lassen sich erste Abnutzungserscheinungen feststellen. Hierzu sei aber gesagt, dass sich derartiger Verschleiß bei den meisten meiner anderen Schuhe bisher deutlich schneller gezeigt hat. Ein Schuh beim dem ich nicht über das Toehook-Patch meckere, muss wohl erst noch erfunden werden.
Fazit zum Boreal Synergy 2.0 Kletterschuh im Test

Miri Sikaljuk
Der Synergy 2.0 ist ein rundherum gelungener Wettkampf-Schuh und deckt eine große Bandbreite an Einsatzgebieten ab.
Mit dem Synergy 2.0 ist es Boreal gelungen, einen soliden Flaggschiff-Schuh zu entwickeln, der es locker mit der höherpreisigen Konkurrenz aufnehmen kann. Was den Listenpreis angeht, ist es den Spaniern gelungen, die Scarpa Drago um 10 Euro und den La Sportiva Ondra Comp um ganze 30 Euro zu unterbieten.
Insgesamt hatte ich eine Menge Spaß beim Testen des Schuhs. Der Synergy 2.0 hat sich seinen Platz in meinem Wettkampf Arsenal definitiv verdient.