• Seit 1999 online
  • Powered by 350 Bergsportler
  • Am Puls der Berge
Robust mit super Handling

Edelrid Boa Duo Tec 9,8 mm: Kletterseil im Test

8 Minuten Lesezeit
Das robuste Edelrid Boa Duo Tec Kletterseil gilt als Allrounder in der Szene. Von Tester Chris Münch bekommt es eine Eins für Haltbarkeit und Handling. Unterschiedliches Design an beiden Enden "warnt" zum Beispiel, wenn die Mitte erreicht ist.

Schönstes Wetter, Wochenende, motiviert bis über beide Ohren – der perfekte Tag für eine ordentliche Kletterpartie in meinem Hausgebiet. Seil aus dem Rucksack und ab in die Aufwärmroute. Das Einbinden und vor allem das Sichern fällt mit meinem alten Kletterseil zwar immer schwerer, aber das scheint nur ein kleines Manko an diesem sonst so perfekten Tag. Hat man sich einmal für das richtige Kletterseil entschieden, dann klettert man eben damit und schneidet es einfach immer ab, wenn das Seilende nach einiger Zeit nicht mehr zu gebrauchen ist. Irgendwann steht man dann aber da, das Seil ist zu kurz für das Projekt geworden oder sieht einfach nicht mehr vertrauenswürdig aus. Ich habe zudem das Glück gehabt, ein verlockendes Testangebot von Bergzeit bekommen zu haben, und schon wartet ein giftgrüner Strick auf mich. Giftgrün klingt nach Edelrid – die Seilschmiede aus dem Allgäu – und das Edelrid Boa Duo Tec, 9,8 Millimeter macht hoffentlich etliche Felsmeter mit! So habe ich mich also an ein neues Seil gewagt, obwohl mein altes meiner Meinung nach noch gut seinen Dienst tut – wenn auch nicht mehr wie am Anfang.

Kletterseil auspacken – So funktioniert’s

Ob es an meinen brillanten „Abwickelkünsten“ lag, kann ich nicht sagen, aber das Edelrid Boa Duo Tec und ich hatten einige Startschwierigkeiten. Im Nachhinein bin ich aber froh, nicht wie Alexander der Große das Schwert gezogen zu haben, denn mit ein wenig Geduld ließ sich auch dieser große Knoten lösen. Eigentlich sollte man meinen, dass man nach jahrelanger Erfahrung im Sportklettern ein neues Seil ohne Probleme abwickeln kann. Ich schätze, ich war etwas zu ungeduldig und hätte mir in Ruhe dieses Video noch einmal vor Augen führen sollen:

Edelrid Boa Duo Tec im Praxistest: Die ersten Meter mit dem neuen Seil

Seinen ersten Einsatz bekommt das Edelrid Seil in Arco am Gardasee. Hier sind die Routen sehr gut abgesichert und zum Teil auch sehr lang, so dass ich froh bin, mein neues, ungekürztes Kletterseil dabei zu haben. Ich habe mir bewusst das Edelrid Boa Duo Tec ausgesucht: Das geringe Metergewicht und der im Vergleich zu den ultradünnen (8,9 bis 9,2 Millimeter) High-End-Kletterseilen relativ große Seildurchmesser von 9,8 Millimetern verspricht hohe Lebensdauer und trotzdem eine ausgezeichnete Performance beim Klettern und Sichern.

Edelrid Boa duo tec im Test | Foto: Christian Münch
Ausbouldern, Ausbouldern und dann doch wieder drinhängen – die Belastungen beim Sportklettern bzw. dem Projektieren sind für ein Kletterseil heftig. Das Edelrid Boa ist nicht klein zu kriegen. | Foto: Chris Münch

Schon am Einstieg merkt man die Handwerkskunst der Allgäuer, die in diesem Kletterseil steckt. Man ist dabei noch keinen Meter geklettert: Durch seine hohe Flexibilität und Geschmeidigkeit steckt sich der Knoten fast von selbst und vor allem ab der fünften Expresse spüre ich deutlich den Unterschied in Sachen Seilreibung an den Expressschlingen meinem alten Stick gegenüber. Und ich dachte, meine Ausdauer wäre schlecht. Von wegen – ich hatte mit meinem abgenutzten Seil einfach alle Hände voll damit zu tun, das Seil einzuhängen. Beim Sichern läuft das Edelrid Boa Duo Tec außerdem einwandfrei durch mein Petzl Grigri 2 und auch hier gefallen mir sowohl die Flexibilität als auch die Biegsamkeit des Kletterseils hervorragend. Beim Klettern lässt sich das Boa Duo Tec dadurch auch extrem leicht klippen.

Geschmeidig bei guter Haptik

Ein wenig kontrovers hört sich das ja schon an: Auf der einen Seite ist das Seil wirklich geschmeidig und läuft gut durch alle Sicherungsmittel, auf der anderen Seite aber besitzt das Edelrid Boa Duo Tec eine raue Oberfläche. Der Mantel ist etwas rauer, was aber mit der Knotfähigkeit und der Geschmeidigkeit des Seils nichts zu tun hat. Ich als „Vielprojektierer und Ausboulderer“ mag diese Haptik. Die mittlere Dicke von 9,8 Millimetern ermöglicht außerdem einen sehr guten Halt am Bremsseil für den Sichernden, wenn es einmal etwas länger dauert. Beim Ausbouldern erleichtern diese beiden Eigenschaften das Hochziehen am Seil, wenn man immer wieder an ein und demselben Zug rauskippt. Dank der Thermo Shield-Ausrüstung bleiben die Eigenschaften des Kletterseils lange erhalten. Thermo Shield wird von Edelrid schon sehr lange eingesetzt. Die bewährte Behandlung, oder Ausrüstung wie es in Fachkreisen heißt, sorgt bei einem thermischen Veredelungsprozess dafür, dass die Schrumpfung der Kern- und Mantelgarne gleichmäßig und dauerhaft vorweggenommen wird. Das Seil erhält gleichmäßigere Eigenschaften und behält so länger seine Form und Performance.

Top Performance ohne Durchscheuern

Edelrid Boa duo tec im Test | Foto: Christian Münch
Ein Seil für alle und alle Fälle: Für Vielprojektierer, Anfänger und alle anderen Kletterer, die im Klettergarten unterwegs sind und ein robustes Seil haben wollen. | Foto: Chris Münch

Die Performance des Edelrid Boa Duo Tec habe ich gleich nutzen können: Beflügelt von dem neuen Seil stürze ich mich dieses Frühjahr nach einer ausgiebigen Bouldersaison im Winter in mein Langzeitprojekt Nangijala in Kochel. Bouldereinheit um Bouldereinheit trotzt das Kletterseil den fix angebrachten Zwischensicherungen in dem Projekt ohne durchzuscheuern oder schlapp zu machen. Nach ganzen neun Tagen projektieren komme ich die Route hoch – das Seil aber habe ich immer noch nicht kürzen müssen und freue mich auf ein neues Projekt.

Welche Länge macht bei einem neuen Kletterseil Sinn?

Die Länge des Boa Duo Tec von nur 60 Metern ließ mich zunächst zurückschrecken, zumal ich gerade aus Ceüse (Frankreich) wiedergekommen war. Ich hatte anfangs das Gefühl, dass das Seil im heimischen Hausgebiet in den Münchner Voralpen zu kurz sein musste. Diese Sorge erwies sich aber wirklich als unbegründet: Erstens sind 60 Meter in den meisten Klettergebieten dieser Welt völlig ausreichend und zweitens muss man jeden Meter, den man am Ende gar nicht klettert, umsonst in das Gebiet heraufschleppen. Zumal die Länge für die meisten Tagesziele in der Münchner Umgebung leicht ausreicht. In Spanien sieht die Sache natürlich anders aus. Im Frankenjura, in Kochel und auch in den Gebieten um Kufstein bin ich bisher nur selten auf Routen von über 30 Metern Länge gestoßen und im Zweifelsfall kann man ja immer umbauen. Knoten im Seil ist eh obligatorisch. Dafür habe ich bei so manch längerem Anstieg keine komplett gepumpten Beine und ein bisschen weniger Gewicht im Rucksack.

Edelrid Duo Tec – Sicherheit durch Unterschiede

Edelrid Boa duo tec im Test | Foto: Edelrid
Oben mit optischer und haptischer Unterscheidung, unten sieht und fühlt man das herkömmliche Seil. Ab der Seilmitte wechselt das Designpaket und bringt damit mehr Sicherheit. | Foto: Edelrid

Die Duo Tec-Technologie des Seils unterstützt mein Sicherheitsverlangen. Das Produktdesign des Edelrid Boa Duo Tec zeigt durch unterschiedliches Muster an, wann die Mitte des Seils erreicht ist. Auf der einen Seilhälfte ist ein schwarzer Faden sichtbar, der auch beim Anfassen spürbar ist. Die andere Seilhälfte ist einfarbig und „normal“ strukturiert. Haptik und Optik des Kletterseiles ändern sich also in der Mitte. Dafür wurde von Edelrid ein Faden mit zwei unterschiedlichen Seiten in das Seil eingewebt: Eine Seite ist normal einfarbig, die andere dunkler mit etwas Struktur. Dieser Faden dreht sich in der Mitte des Seiles um. Damit ist der Faden nur auf einer Seilhälfte sichtbar und spürbar. Durch dieses Duo Tec-Design fällt jedem Sichernden sofort spürbar auf, wenn die Mitte des Seils erreicht worden ist. Im Zweifel reicht ein Blick und man weiß woran man ist.

Das einzige, was mich am Edelrid Boa Duo Tec stört, sind die schwarzen Hände nach dem Sichern. Das Seil neigt extrem dazu, abzufärben, sodass man nach dem Klettern eher aussieht wie ein Grubenarbeiter. Aber der Trost ist relativ nah, denn nach der nächsten Kletterroute sind die Finger ja wieder weiß. Da muss man eben darauf achten, dass man sich die letzte Route des Tages unter den Nagel reißt – oder sich nach dem Klettern doch mal die Hände wäscht.

Test-Fazit und Details zum Edelrid Boa Duo Tec 9.8 mm

Eigentlich hatte ich mit dem Testbericht warten wollen, bis ich das Kletterseil das erste Mal kürzen muss, aber dabei habe ich nicht mit der Hartnäckigkeit des Edelrid Boa Duo Tec gerechnet. Kletterpartie um Kletterpartie wollte das Seil einfach nicht durchscheuern, so sehr ich auch in meinen Routen herumboulderte. Da kann ich wirklich nur sagen – Hut ab, ich vergebe eine glatte Eins für die Haltbarkeit! Da mir diese Eigenschaft am wichtigsten ist, kann ich über meine schwarzen Hände hinwegsehen, die ich als einziges Manko des Seils bezeichnen würde. Der Zusatz an Sicherheit durch die Duo Tec-Technologie gefällt mir sehr gut, vor allem weil es wirklich funktioniert: Die Veränderung in der Haptik ab der Seilmitte fällt einem sofort auf!

Nachdem ich mit dem neuen Edelrid Boa Duo Tec geklettert bin, muss ich zudem meine Aussage revidieren, dass mein altes Seil noch gut seinen Dienst tut und ich eigentlich kein neues benötige. Erst wenn man direkt den Unterschied spürt, wird einem die Dringlichkeit der Beschaffung eines neuen Kletterseils bewusst. Dazu muss man einfach mal mit einem neuen Seil klettern gehen.

  • Einsatzgebiet: Sportklettern
  • Konstruktion: Einfachseil
  • Durchmesser: 9,8 Millimeter
  • Normstürze: 6
  • Gewicht: 62 Gramm pro Meter
  • Besonderheiten: Duo Tec, Thermo Shield-Ausrüstung

Leider hat Edelrid das Boa Duo Tec mitlerweile eingestellt – der Nachfolger BOA 9,8 gibt es im Bergzeit Shop:

Mehr zum Thema Kletterseil:

Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments

Unsere Top Outdoor Kategorien


Bergzeit Magazin - Dein Blog für Bergsport & Outdoor

Willkommen im Bergzeit Magazin! Hier findest Du Produkttests, Tourentipps, Pflegeanleitungen und Tipps aus der Outdoor-Szene. Von A wie Alpspitze bis Z wie Zwischensicherung. Das Redaktionsteam des Bergzeit Magazins liefert zusammen mit vielen externen Autoren und Bergsport-Experten kompetente Beiträge zu allen wichtigen Berg- und Outdoorthemen sowie aktuelles Branchen- und Hintergrundwissen.