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Evolution in 3. Generation

Das Eisgerät Petzl Nomic im Theorie- und Praxistest

8 Minuten Lesezeit
Geringeres Gewicht und bessere Ergonomie sind nur zwei der Verbesserungen am weiterentwickelten Nomic von Petzl. Durch seine modulare Bauweise kann das Eisgerät für jeden Anforderungen individuell angepasst werden, weshalb das Nomic mittlerweile zu den Klassikern beim Eisklettern zählt. Franz Mösbauer hat die dritte Generation in Theorie und Praxis getestet.

Eine ganze 500-Gramm-Tafel Schokolade in der Hand zu halten, lässt das Herz gleich schneller schlagen. Ebenso ein gut 500 Gramm schweres Eisgerät – wie das neue Nomic. Zur Eissaison 2018/2019 kommt die dritte Generation des seit 2005 zum Klassiker erklärten Eisgerätes Nomic von Petzl auf den Markt. Gleichzeitig bekommen auch die weiteren technischen Eisgeräte von Petzl, das Quark und das Ergonomic, ein Facelift. Der tatsächliche Einsatzbereich für das Nomic ist hierbei gar nicht so genau abzugrenzen. Primär wurde es für steile Eisklettereien entwickelt. Aber seit langem fühlt sich das Nomic genauso in schwierigen Mixed-Touren wie auch in kombinierten Wänden und Couloirs wohl. Außerdem lässt es sich durch sein modulares Konzept perfekt auf die geplante Tour anpassen.

Beim 2018/19er-Facelift handelt es sich eher um eine Evolution, als um eine Revolution. Wo die Unterschiede der neuen Evolutionsstufe liegen, zeigt dieser Testbericht.

Therietest: Das modulare Paket Nomic

Da das Nomic primär für das Eisklettern entwickelt wurde, wird es mit der neuen Pur’Ice– Haue ausgeliefert, die speziell für reines Eis ausgelegt ist. Ebenso neu sind die Zusatzgewichte Masselottes an der Haue, die eine neue Form bekommen haben, sowie der Hammerkopf Mini Marteau. Geblieben ist, dass die verfügbaren – sowie bisherigen – Accessoires, wie z.B. Hauen, die Hammer- und Schaufelköpfe beliebig zwischen den drei technischen Geräten Quark, Nomic und Ergonomic getauscht werden können. Als Werkzeug reichen die beiden mitgelieferten Inbusschlüssel aus.

Im ausgelieferten Zustand kommt das Nomic „offiziell“ auf 585 Gramm und liegt somit um 20 Gramm unter dem Gewicht seines Vorgängers (605 Gramm). Nach einer Gewichtskur erreicht das Nomic schlappe 509 Gramm.

Was ist der Unterschied zum bisherigen Nomic?

der Schaft des Petzl Nomic ist neue geformt
Der Schaft ist für eine höhere Festigkeit und Griffigkeit hydrogeformt | Foto: Franz Mösbauer

Die vielleicht effektivste Verbesserung dürfte ein glasfaserverstärkter Kunststoff-Einsatz zwischen dem Kopf und dem Schaft sein. Hier kam es teilweise zu dem Problem, dass sich diese Verbindung lockerte. Der elastische Kunststoff-Einsatz, der bei allen drei technischen Modellen neu hinzugekommen ist, soll einerseits fertigungsbedingte, als auch temperaturbedingte Schwankungen zwischen Schaft und Kopf ausgleichen. Damit sollen die Haltbarkeit und die Zuverlässigkeit gesteigert werden.

Der neue hydrogeformte Schaft, der die Steifigkeit steigern und das Gewicht senken soll, fällt ebenso ins Auge wie der neue untere Griff. Das neue und leichtere Design des Griffes wurde ergonomisch leicht angepasst und die untere Fingerauflage etwas verbreitert, was in steilen Längen zu weniger aufgepumpten Armen führen könnte.

Die Griffweite lässt sich weiterhin mittels dem Griprest in drei Positionen anpassen. Neu hinzugekommen ist hingegen der Dorn am unteren Ende des Griprest Nomic. Eine Fangleine, wie z.B. der Petzl V-Link, kann nun direkt eingehängt werden. Das Nomic kann somit als Stützpickel verwendet werden, um bei hochalpinen Abstiegen mehr Sicherheit zu bieten. Der Dorn ist für eine Belastung von etwa 1,5 Kilo-Newton ausgelegt, darf aber dennoch nicht zur Sicherung verwendet werden! Wem der spitze Dorn aufgrund des Selbstschutzes suspekt ist, kann ihn gegen den optionalen Griprest Ergonomic ohne Dorn austauschen.

Verbessert wurde auch der obere Griff. Am auffälligsten ist, dass das Tape einer gummierten Kunststoffummantelung gewichen ist. Diese sorgt für einen sichereren Halt und soll auch isolierend für die Hände sein. Die ebenfalls etwas breitere und verstärkte obere Fingerauflage ist um etwa 1,5 Zentimeter höher, um so den verfügbaren Spielraum beim Weiterklettern zu erhöhen.

Die gesamte Form der Nomics blieb annähernd unverändert. Auch das Schlagen der Geräte aus dem Handgelenk und über den Zeigefinger bleibt augenscheinlich identisch. Doch die weiteren Anpassungen beziehen sich nicht nur auf das Nomic alleine! Auch die Anbauteile erfuhren einige Anpassungen.

Evolution auch bei den Accessoires des Petzl Nomic

Die neue Fingerauflage beim Eisgerät Petzl Nomic
Neu hinzugekommen ist ein Dorn an der unteren Fingerauflage, dem Griprest Nomic. | Foto: Franz Mösbauer

Keine Evolution, sondern komplett neu ist die Pur’Ice-Haue, welche mit dem Nomic ausgeliefert wird. Diese ist durchgängig drei Millimeter dick und hat, ähnlich den Drytool Hauen, ebenfalls Zähne auf der kopfseitigen Oberseite. Somit dürfte sie sich noch besser für das reine Eis eignen, als die bisherige Ice (3,3 bis vier Millimeter Dicke).

Tatsächlich neu geformt ist das Zusatzgewicht an den Hauen Masselottes. Die Form erinnert etwas an einen Klemmkeil und verjüngt sich sowohl nach unten, als auch nach vorne. Somit sollen sich die Gewichte besser in verschieden breiten Rissen verklemmen lassen. Das Gewicht blieb hingegen gleich.

Um die Haltbarkeit des Alukopfes der Geräte zu erhöhen, wurde der Mini Marteau so verbreitert, dass er nun der Breite des Alukopfes entspricht. Nebenbei wird sich somit auch das Setzen von Haken erleichtern.

Praxistest: Was kann das Petzl Nomic im Eis?

Ein Mann beim Eisklettern.
Das Klettern mit den aktuellen Nomics ist vergleichbar mit den bisherigen Versionen. Vielleicht einen Tick besser. | Foto: Franz Mösbauer

Eines vorweg: In der Praxis dürften eingefleischte Nomic-Kletterer vermutlich kaum Neues vorfinden. Für meine erste Testtour dürfen sich die neuen Nomics in der Nordwand des Schrammachers bewähren. Einzige Modifikation: Das Gewicht bleibt daheim und die Hiwenimitgelieferte Pur’Ice-Haue weicht der etwas dickeren Ice-Haue.

Auf den ersten steilen Metern über die Randkluft ist das Vertrauen sofort da, die Geräte liegen super in der Hand und jeder Schlag sitzt. Da die Wand in den Mixedpassagen eher trocken ist, wird mehr gehookt und geklemmt als geschlagen. Auch wenn einige Passagen etwas wacklig sind, bieten die Nomics keinen Anlass zur Kritik. Selbst auf den zahlreichen, einfacheren Stapfpassagen bewähren sie sich – vor allem durch ihre Schaftform. Die Hände blieben aus dem Schnee draußen und der neue, hydrogeformte Schaft lässt sich angenehm greifen. Ein Tuning-Tipp gegen kalte Hände wäre noch das Tapen des Schaftes zur Isolierung, zum Beispiel mit einem griffigen Tape aus dem Floorball-Sport oder ein Lenkerband für Rennräder.

Ein kleines Detail mit zweifacher Wirkung für das hochalpine Gelände ist der neue Dorn an der unteren Griffauflage. Hier lässt sich einfach eine Fangleine einhängen und für den Abstieg bewährt sich das neue Nomic als Stützpickel.

Wichtiger Hinweis: Allerdings sollte dabei beachtet werden, dass sowohl der Dorn, als auch übliche Fangleinen (z.B. Petzl V-Link, BD Spinner Leash) nicht dafür ausgelegt sind! Der Griff des Nomics ist für eine Bruchkraft von 150 daN (1,5 kN), die Fangleinen bis ca. 2 kN ausgelegt. Zum Klettern vollkommen ausreichend, bei einem unachtsamen Ausrutscher – wenn z.B. der Dorn zur Selbstsicherung verwendet wird – kann dies im besten Fall zu einem Totalschaden am Eisgerät führen!

Irgendwann geht es in der spärlich anlaufenden Eissaision 2018/19 dann doch endlich ins Eis- und Mixedgelände. Hier kommt, je nach Gelände, die neue Pur’Ice- oder die Ice-Haue zum Einsatz. Im reinen Eis lassen sich die neuen Pur’Ice-Hauen tatsächlich besser und mit reduzierter Sprengwirkung setzen. Auch wenn diese nach einem massiven Felskontakt eher übel mitgenommen sein dürften. Für den Wechsel reicht der mitgelieferte Inbus, um die beiden Schrauben pro Kopf zu lösen.

Das Schlagen mit Rotation um den Zeigefinger bewährte sich erstmals bei den ursprünglichen Quark Ergos. Das gleiche, vertraute Schlaggefühl kommt bereits auf den ersten Metern zurück. Geringes Gewicht, das leichte Führen beim Schlagen und die Schaftform gegen bzw. für Blumenkohleis begeistern und das Klettern macht einfach Spaß. Es mag sein, dass die neue Griffform für weniger gepumpte Unterarme sorgt. Sie wurden nach einer entsprechenden Länge dennoch ziemlich dick. Das mag aber auch am Saisonbeginn liegen …

Ein Mann beim Eisklettern.
Mit der Petzl Nomic hat man sichtlich Spaß in jeder Situation. | Foto: Franz Mösbauer

Im Mixedgelände machen die Nomics eine ebenso gute Figur wie im Eis. Die Hooks halten und die Geräte bleiben bei einem Giffwechsel stabil. Wer für steile(re) Mixed-Routen neue Eisgeräte sucht, kann auch einen Blick auf die ebenfalls überarbeiteten Petzl Ergonomics werfen.

Mein Test-Fazit nach den Praxistagen im Eis

Die bereits im Theorieteil gefasste These, dass die Nomics in der 3. Generation mehr eine Evolution, als eine Revolution sind, zeigte sich auch an der frischen Luft. Beim Klettern überzeugen und begeistern die Nomics nach wie vor. Egal ob im gefrorenen Eis, beim Mixedklettern oder im alpinen Eis – sind und bleiben sie ein treuer und bewährter Begleiter.

Sinnvoll sind die ganzen Neuerungen an den Nomics. Sie machen die 3. Generation sicherlich zu den besten aller bisherigen Nomics. Durch die Anpassungsmöglichkeiten können diese auf die eigenen Vorlieben oder die anvisierte Tour perfekt abgestimmt werden. Eine weitere Evolutionsstufe eben.

Gibt es auch Kritikpunkte? Nur eines ist mir beim Testen aufgefallen: Die Gummierung am oberen Griff wird beim Schlagen bzw. „anecken“ bei tiefen Strukturen, z.B. Kohle oder Absätze, in Mitleidenschaft gezogen. Es wird sich noch zeigen, wie lang die Gummierung hält. Bei anderen Geräten mit ähnlichem Problem hat ein präventives Tape an dieser Stelle gute Dienste geleistet.

Um weitere technische Informationen, Anleitungen sowie um einen Überblick über das Zubehör zu erhalten, schaut am besten bei Petzl auf der Homepage vorbei.

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