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Schwieriger Weg auf einen einfachen Gipfel

Die Besteigung des Elbrus als Skitour

8 Minuten Lesezeit
Mit einer Höhe von 5.642 Metern ist der Elbrus der höchste Berg des Kaukasus und des europäischen Subkontinents. Der vermeintlich einfache Aufstieg täuscht jedoch über die Tücken des erloschenen Vulkans hinweg. Bergzeit-Autor Michi Hrobath versuchte im Mai 2018 bereits zum zweiten Mal, den Berg mit Ski zu besteigen.

Das erste Mal bereiste ich den Kaukasus 2015. Ich war beeindruckt von der rauen Schönheit des russischen Gebirges, dem herrlich rustikalen Essen, den netten Dörfchen im Tal und natürlich von dem vergletscherten Vulkan selbst, dessen Doppelgipfel im Umkreis von rund 2.500 Kilometern die höchste Erderhebung darstellt. Nach einem damals gescheiterten Versuch, den Berg mit Ski zu besteigen, fliege ich im Mai 2018 mit zwei erfahrenen Bergkameraden mit dem selben Ziel nach Mineralnyje Vody, dem nächstgelegenen Flughafen tief im Süden Russlands.

Der höchste Berg Europas per Ski

Botschki von innen: Die Wohntonnen aus der Sowjet-Ära wurden erst kürzlich renoviert. | Foto: Michael Hrobath
Botschki von innen: Die Wohntonnen aus der Sowjet-Ära wurden erst kürzlich renoviert. | Foto: Michael Hrobath

Der Berg ist technisch nicht schwierig und aufgrund der schon fast abartig guten Infrastruktur einfach zu erreichen. Dank diverser Bergbahnen kann man bis auf fast 4.000 Meter hochfahren und die Tour entsprechend verkürzen. Skidoos und Snowcats fahren einen auf Wunsch (und für rund 7.500 Rubel pro Kopf!) bis auf 5.000 Meter hoch. Dann fehlen nur noch ein paar hundert Höhenmeter bis auf den Gipfel. Im Idealfall reichen ein paar Tage für die Besteigung von Europas höchstem Berg aus – wenn man Glück mit dem Wetter hat.

Im Talort Terskol erwartet uns Oleg, unser Guide, um mit uns den Plan für die Akklimatisation und den Aufstieg zu besprechen. Zur Gruppe gesellt sich noch Kerrie aus Utah dazu, die den Winter über in den traumhaften Skigebieten nördlich ihrer Heimatstadt fleißig für diese Skitour in Russland trainiert hatte.

Für die Akklimatisation stehen zwischen 3.700 und 4.200 Meter verschiedenste Unterkünfte zur Verfügung. Wir richten unser Basislager in den berühmten „Botschkis“, den Tonnen, die nach unzähligen Jahrzehnten am Berg in diesem Winter heuer innen recht schön renoviert wurden, ein. Von außen versprühen die riesigen Botschkis allerdings immer noch den vergilbten Charme der Sowjet-Ära, während der sie hinaufgekarrt wurden.

Akklimatisationstour Richtung Priut 11

An einem herrlich sonnigen Tag machen wir eine lockere Akklimatisationstour hoch auf rund 4.600 Meter, vorbei an den berühmten Überbleibseln der Hütte „Priut 11“, die 1998 den Flammen eines Gaskochers zum Opfer fiel. Die Gipfel des Elbrus scheinen bereits ganz nah, auch wenn sie noch einige Kilometer entfernt in die Höhe ragen.

Rund um den sanften Riesen sind die Bergformationen schroffer, rauer, steiler und vor allem eines: unberührt. So viel sich um den Elbrus dreht, so wenig Aufmerksamkeit wird den Nachbarbergen wie der spektakulären Ushba geschenkt, die aufgrund ihrer Schwierigkeit deutlich seltener bestiegen wird.

In der Umgebung des Elbrus sind die Berge deutlich wilder und schroffer als der Elbrus selbst. | Foto: Michael Hrobath
In der Umgebung des Elbrus sind die Berge deutlich wilder und schroffer als der Elbrus selbst. | Foto: Michael Hrobath

Nach einer angenehmen Akklimatisationsnacht in den Botschkis und einem letzten Ausrüstungscheck peilen wir am nächsten Tag bereits die 5.000er-Marke an. Mein Bergkamerad Hili und ich schaffen es bei immer schlechter werdendem Wetter tatsächlich, bis auf über 5.000 Meter hochzutouren. Kerrie, mein zweiter Bergkollege Michi und Oleg suchen sich bei den Pastuchkov-Felsen auf rund 4.800 Meter einen windgeschützten Platz zum Warten. Oleg meint, dass Hili und ich die ersten in diesem Jahr gewesen sind, die so hoch mit Skiern raufgekommen sind.

Parallel findet an diesem Tag der legendäre Berglaufbewerb „Red Fox Elbrus Race“ statt. In diesem Jahr ist nicht wie üblich der Elbrus-Gipfel das Ziel, sondern der Sattel zwischen den beiden Gipfeln. Wegen Wind und Schneefall ist schlichtweg kein sicheres Rennen bis ganz nach oben möglich. Wir feuern die Teilnehmer an und geniessen anschließend die Abfahrt im 20 Zentimeter tiefen, frischen Pulverschnee bis hinunter zu den Tonnen.

Erholung im Tal

Am Elbrus, dem höchsten Berg Europas, kann sich das Wetter schnell ändern. | Foto: Anatoliy Savejko
Am Elbrus, dem höchsten Berg Europas, kann sich das Wetter schnell ändern. | Foto: Anatoliy Savejko

Am Abend fahren wir mit der Gondel runter ins Tal, um im Hotel die Akklimatisation abzuschließen und einen Ruhetag einzulegen. Auch wenn der Elbrus „nur“ 5.642 Meter hoch ist, sollte man sich vor der Besteigung wie bei einer Expedition (oder einem Trekking) auf einen hohen Berg außerhalb Europas akklimatisieren. Oleg organisiert uns eine original russische Saunazeremonie in einem benachbarten Hotel. Die „Banja“ wird mit Birkenholz mehrere Stunden lang befeuert, um so richtig heiß zu werden.

Dann geht es los: Man trägt komische Filzhüte, um Haare und Kopf vor den sehr hohen Temperaturen in der Sauna zu schützen. Ein Bund Birkenzweige wird ins Wasser getaucht und man schlägt sich damit gegenseitig auf den Rücken. Das regt nicht nur die Durchblutung an – die Blätter verbreiten auch einen angenehmen Duft. Auf Ketten aufgehängte Holzeimer mit eiskaltem Wasser und einem Zugmechanismus sorgen für Abkühlung – der ganze Kübel wird auf einmal über dem Sauna-Insassen augekippt. Ich weiß nicht, wer sich so was ausdenkt!

Am Abend genießen wir schon das nächste Highlight jeder Kaukasus-Reise: Schaschliks. Die Fleischspieße sind das Nationalgericht der Region. An jeder Ecke steht ein entsprechender Grill. Das Fleisch (meist Huhn und Lamm) wird über Nacht in Gewürzen und Smetana (Schmand) mariniert, wie mir die Köchin verriet. Für das Grillen ist ihr Mann zuständig: Er weiss genau, wie oft man die Spieße wenden muss und wie lange sie über der Glut brauchen, um außen knusprig und innen herrlich zart zu werden.

Gipfelversuch am Elbrus

Nach dem russischen Spa-Programm und der abendlichen Stärkung geht es am nächsten Tag wieder mit der Seilbahn hoch zu den Botschkis. Um Mitternacht wollten wir einen Versuch Richtung Gipfel starten, auch wenn das Wetter keine allzu große Hoffnungen für eine erfolgreiche Besteigung macht. Unser Guide hofft noch auf ein kleines Wetterfenster.

Bekannter Anblick bei der Besteigung des Elbrus: Die Schneemobil-Spuren ziehen Richtung Pastuchkov-Felsen - und an der abgebrannten Priut 11-Hüte (links im Bild) vorbei. | Foto: Michael Hrobath
Bekannter Anblick bei der Besteigung des Elbrus: Die Schneemobil-Spuren ziehen Richtung Pastuchkov-Felsen – und an der abgebrannten Priut 11-Hüte (links im Bild) vorbei. | Foto: Michael Hrobath

Wir tun uns schließlich mit einer zweiten Gruppe aus der Schweiz zusammen, um uns die Kosten für die Fahrt mit dem Snowcat aufzuteilen. Ein Aufstieg ohne Benutzung des Gefährts steht diesmal nicht zur Debatte. Um Mitternacht geht es bei -22°C und starkem Wind los. Auf der rund halbstündigen Fahrt frieren wir schon fast auf den Sitzbänken des Snowcats an … es fühlt sich an wie eine Expedition zu einer Antarktis-Station.

Nach rund zwei Stunden Skitour erreichen wir ein vor einigen Jahren festgefahrenes Schneemobil, das heute als Skidepot und Rastplatz genutzt wird. Einige deponieren hier ihre Ski, ich schnalle sie mir auf den Rucksack. Die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt! Auf der kilometerlangen Traverse unterhalb des Ostgipfels rüber zum Sattel bläst uns der Wind frontal ins Gesicht. In engem Gänsemarsch geht es langsam voran. Jeder versucht, etwas Windschatten vom Vordermann abzubekommen. Vladimir, der zweite Guide, kämpft als erster in der Reihe tapfer gegen die Kälte. Nach weiteren 2,5 Stunden sind wir am Sattel zwischen dem Ost- und Westgipfel angekommen. Nur noch rund 300 Höhenmeter bis zum etwa 5.642 Meter hohen Westgipfel.

Umkehr im Sattel

Im Sattel enden auch die roten Fähnchen, die vom Red Fox Elbrus Race noch den Weg säumten und unsere einzige Orientierung waren. Da keine Besserung in Sicht ist und sich kein Fenster auftut, wir schon allesamt an Nase, Mund und Wangen leichte Erfrierungen haben und das Risiko, weitere körperliche Schäden zu erleiden, zu groß ist, drehen wir auf rund 5.350 Meter Seehöhe unterhalb des Gipfelanstiegs um. Es ist fast genau jene Stelle, bis zu der ich auch bei meinem ersten Versuch 2015 gekommen war. Bis zu dem versunkenen Schneemobil behalten wir die Steigeisen an, erst dort schnallen wir uns die Ski an die Füße und fahren bei minimaler Sicht am frühen Vormittag ab.

Vereister Autor: Für Michael Hrobath war es bereits der zweite Anlauf auf den Elbrus. Es wird auch ein drittes Mal geben. | Foto: Michael Hrobath
Vereister Autor: Für Michael Hrobath war es bereits der zweite Anlauf auf den Elbrus. Es wird auch ein drittes Mal geben. | Foto: Michael Hrobath

In den Botschkis versorgen wir unsere Erfrierungen an Fingern und im Gesicht und wärmen uns auf. Dann packen wir unsere Taschen und fahren hinab ins Tal. Da das Wetter auch am nächsten Reservetag nicht besser wird und wir für unsere Reise nurmehr wenige Tage zur Verfügung haben, entscheiden wir uns für keinen erneuten Versuch am Elbrus. Den letzten Tag im Kaukasus nutzen wir, um die wunderschönen Bergtäler zu erkunden. Wir organisieren uns einen Guide und vier Pferde und reiten ein paar Stunden durch die unberührte Landschaft unterhalb der großen Gipfel: Pferdetrekking im Miniaturformat sozusagen. Vor der Heimreise gibt’s natürlich im Dorf noch einmal eine große Portion Schaschlik-Spieße. Und Vodka. Nastarovje!

Fazit zur Besteigung des Elbrus

Im Hochgebirge kann man das Wetter nicht planen – das hat auch die Skitour auf den Elbrus bewiesen. Trotzdem war es es wert, in den Kaukasus aufzubrechen und den Süden Russlands zu bereisen. Die Gipfelszenerie rund um den Fünftausender, das rustikale Essen, der Abenteuerfaktor an sich – da vergisst man schnell, dass es mit dem Gipfel nicht ganz hingehauen hat, auch wenn wir uns ein paar Extratage für einen weiteren Gipfelversuch gewünscht hätten. Den Elbrus werde ich wohl im nächsten Jahr wieder probieren und erneut nach Russland reisen. Irgendwann muss es ja schließlich klappen mit der Besteigung von Europas höchstem Berg!

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