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Über Gletscher und Blockgrate

Hintere Schwärze: die „Black Beauty“ der Ötztaler Alpen

6 Minuten Lesezeit
Die Hintere Schwärze gehört mit ihren 3.624 Metern nach Wildspitze und Weißkugel zu den höchsten Dreitausendern der Ötztaler Alpen. Der Normalweg hat sich durch Gletscherrückgang stark verändert. Trotzdem hat der Berg nichts von seiner Faszination verloren, wie Bergzeit Magazin-Redakteur Arnold Zimprich herausgefunden hat.

Schroff sieht sie aus auf den Bildern, die ich bisher gesehen habe. Von Osten zeigt sich die Hintere Schwärze als filigrane Felsspitze, von Norden fällt ihre zunehmend ausapernde Nordwand ins Auge, einst eines der Sahnestücke der Ötztaler Alpen und auch in ihrer inzwischen etwas zusammengeschmolzenen Form ein Muss für Eiskletterer.

Es lohnt sich, schon beim Anstieg auf die Seite zu schauen. Schafe vor der Mutmalspitze. | Foto: Arnold Zimprich
Es lohnt sich, schon beim Anstieg auf die Seite zu schauen. Schafe vor der Mutmalspitze. | Foto: Arnold Zimprich

Schon immer wollte ich mal hinauf, als „Normalweggeher“ schreckte mich jedoch die ein- oder andere Tourenbeschreibung, in der von „zerrissenem Gletscher“ und „exponiertem Gipfelgrat“ die Rede war, ab. Im Nachgang kann ich sagen: Das mit den Spalten und dem exponierten Grat ist alles subjektiv …

Aufstieg durch das Niedertal

Startpunkt der Tour ist der Parkplatz am Ortseingang von Vent, dem Heimatort des „Gletscherpfarrers“ Franz Senn, der 1869 den Deutschen Alpenverein mitgründete. Auf der Hauptstraße geht es durch das ganze Dorf (rechterhand liegt ein kleiner Supermarkt, in dem man sich noch versorgen kann wenn nötig), schließlich wird die Venter Ache gequert und man orientiert sich an den Schildern Richtung Martin Busch-Hütte.

Je nach Zeitvorrat geht man das Niedertal bis zur Hütte zu Fuß hinauf – oder nimmt für die rund acht Kilometer (eine Richtung!) bis zur Hütte das Rad. Allerdings hat die Auffahrt bis zur Hütte ein paar steile Rampen in petto. Auf der anderen Seite bringt einen ein Fahrrad schneller wieder ins Tal. Wie so oft eine Frage, wo man bei der Tourenplanung die Prioritäten setzt.

Unter einem Schlepplift werden zunächst ein paar steilere Kehren absolviert. Der Fahrweg windet sich schließlich durch ein hübsches Latschenwäldchen, immer wieder bieten sich beeindruckende Tiefblicke auf die Klamm des Niedertalbachs. Auf freien Almflächen erreicht man den Bereich des „Hohlen Steins“, bei dem ab 1993 prähistorische Funde gemacht wurden, später folgt eine urtümliche, sich eng an den Hang schmiegende Schäferhütte, die an den alljährlich hier stattfindenden Schaftrieb erinnert. Südtiroler Bauern aus dem Schnalstal treiben hunderte von Schafen über mehr als 3.000 Meter hohe Jöcher, da sie in Nordtirol seit alter Zeit Weiderechte besitzen. Ein beeindruckendes Schauspiel, wenn man es zufällig im September bzw. Juni mitbekommt.

Übernachtung in der Martin Busch-Hütte

Der Blick weitet sich, außer dem dominanten Similaun (3.599 Meter) rücken weitere Gipfel ins Blickfeld. Der Weg steilt auf, Wanderer als auch Radfahrer müssen nochmal schnaufen, ehe sich der Weg durch einige Steilrinnen windet und die erst auf den letzten 200 Metern sichtbare Martin Busch-Hütte der DAV-Sektion Berlin erreicht wird, die nach einem ehemaligen Vorsitzenden des Österreichischen Alpenvereins benannt wurde.

Wer nicht hier ist, um seine Kondition zu testen und die mehr als 1.800 Höhenmeter auf den Gipfel der Hinteren Schwärze zu früher Morgenstunde in einem zu machen, übernachtet hier. Die Hütte hat eine wechselhafte Geschichte, wurde doch ihre Vorgängerin, die wenig entfernt lag und eine Zeit lang parallel existierte, 1961 von einer Lawine zerstört und sie selbst im Jahr 1938 von der nationalsozialistischen Organisation Todt erbaut, nach dem Krieg vom österreichischen Zoll genutzt und 1958 von der Sektion Berlin übernommen.

Ein klimaverwandelter Berg

Beim Aufstieg über den Marzellfernen pirscht sich die Sonne langsam heran. | Foto: Arnold Zimprich
Beim Aufstieg über den Marzellfernen pirscht sich die Sonne langsam heran. | Foto: Arnold Zimprich

Am nächsten Tag überquert man auf schmalem Steg den Niederbach und steigt in Kehren auf den Marzellkamm, den massigen Bergzug, der das Niedertal von der Eismasse des Marzellferners trennt. Der einst gewaltige Ferner, auch heute noch beeindruckend groß, hat sich wie alle großen Ötztaler Gletscher in den letzten Jahren um viele hundert Meter zurückgezogen. Damit einhergehend hat sich auch der Normalweg auf die Hintere Schwärze stark verändert. Der gewaltige Steilhang, durch den der Normalweg bis 2012 lief, hat durch den Gletscherschwund sein Widerlager verloren, die Folge sind Hangrutschungen, beeindruckende Verwerfungen und Risse, die Bergsteigern ein Gefühl dafür geben, wie ohnmächtig sie angesichts der Launen der Natur sind.

Anstatt wie noch vor wenigen Jahren recht früh Richtung Ferner abzubiegen, folgt man nun etwas länger dem Weg auf den Marzellkamm Richtung Similaun, um erst auf rund 2.800 Metern nach links zum Gletscherrand abzusteigen. 120 Höhenmeter verliert man auf diese Weise – heutzutage kein Einzelfall. In den Gletscherregionen der Alpen gibt es überall dort, wo Gletscher Hänge stützten bzw. einfache Übergänge vermittelten, Probleme mit Wegverlegungen, Steinschlag und ähnlichen Phänomenen.

Inmitten der Ötztaler Dreitausender

Hat man den Gletscherrand des Marzellferners erreicht, vollführt man meist einen gemäßigten, etwas nach rechts ausholenden Linksbogen, ehe man durch mitunter spaltenreiches Gelände auf die schon länger sichtbare Gletscherrampe zusteuert, die den Zustieg zum Blockgrat zum Gipfel vermittelt. Immer noch hat das Gletscherbecken unterhalb von Similaun, Marzellspitzen und Hinterer Schwärze beeindruckende Ausmaße.

Achtung: Durch die sich ständig verändernden Eisverhältnisse verändert sich die Routenführung von Jahr zu Jahr. Es kann auch durchaus empfehlenswert sein – wie in älteren Führern beschrieben – weiter links am Eisbruch unterhalb der Mutmalspitze aufzusteigen. Der Klimawandel fordert mehr denn je den versierten Hochtourengeher, der die Routenfindung den jeweiligen Bedingungen anpasst!

Entlang des oberen Randes der Hintere Schwärze-Nordwand erreicht man schließlich die schroffen Gipfelfelsen, die jedoch ohne größere Probleme (UIAA I) überwunden werden. Am schmalen Gipfel angekommen kann man sich rühmen, auf einem der etwas spektakuläreren, weil exponierten Gipfel der Ötztaler Alpen zu stehen. Trotz der sich verändernden Verhältnisse hat der Berg nichts von seiner Faszination und Anziehungskraft verloren – sommers wie winters.

Fazit zur Hochtour auf die Hintere Schwärze

Beim Abstieg von der Hinteren Schwärze schweift der Blick über die Gletschergipfel der Weißkugel (mitte/links) und Weißseespitze (rechts). | Foto: Arnold Zimprich
Beim Abstieg von der Hinteren Schwärze schweift der Blick über die Gletschergipfel der Weißkugel (mitte/links) und Weißseespitze (rechts). | Foto: Arnold Zimprich

Die Hintere Schwärze ist im Vergleich zu vielen anderen Bergen in den Ötztalern immer noch ein Stück weit Geheimtipp. Das liegt mitunter am langen Zustieg und der Tatsache, dass sie im Vergleich zu Similaun, Wildspitze und Weißkugel selten „ausgelatscht“ ist und es durchaus sein kann, dass man am Gletscher seinen Weg komplett selbst suchen muss. Wer dies jedoch tut, wird von einer mehr als abwechslungsreichen Hochtour belohnt, die alles beinhaltet, was die Ötztaler Alpen ausmacht.

Alle Daten zur Hinteren Schwärze

  • Gipfelhöhe: 3.624 Meter
  • Ausgangspunkt: Vent (1.895 Meter) im hintersten Venter Tal (Seitental des Ötztals)
  • Zeitaufwand: Vent bis Martin Busch-Hütte (zu Fuß) 2 bis 2,5 Stunden; Martin Busch-Hütte bis zum Gipfel 3,5 bis 4 Stunden
  • Schwierigkeiten und Gefahren: Routenfindung am Marzellferner, Bergsturzgefahr am Marzellkamm, leichte Kletterei (UIAA I) am Gipfelaufbau
  • Stützpunkt: Martin Busch-Hütte (2.501 m) der Sektion Berlin
  • Karte: DAV-Karte 30/1 Ötztaler Alpen Gurgl

Anreise:

  • per Bahn von Innsbruck bis Ötztal Bahnhof, weiter mit dem Bus (umsteigen in Sölden!) nach Vent
  • mit dem Auto über die Inntalautobahn ins Ötztal und weiter über Sölden bis nach Zwieselstein und weiter nach Vent

Ausrüstung:

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