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Mit Ski und Pickel

Ortler: Kombinierte Hochtour durch die Schückrinne

6 Minuten Lesezeit
In den Stapfen von Heini Holzer durch die Steilabfahrten der Alpen zu wandeln, ist keine leichte Übung. Eine seiner Erstbefahrungen ist die Schückrinne am Ortler. Franz Mösbauer hat sich daran in einer Eistour mit anschließender Skiabfahrt versucht.

So richtig daran gewöhnen kann ich mich immer noch nicht. Durch die stockfinstere Nacht geht es auf Tourenski dem Ende der Welt entgegen. Die verschneite Moränenlandschaft sorgt für interessante Formen und der Mond versteckt sich noch hinter den Bergen, weshalb wir uns zunächst nur im Schein der Stirnlampen bewegen und diese beizeiten ausschalten, um uns wenigstens etwas global orientieren zu können. Sonst hoffen wir auf unser Gespür. Vor ein paar Stunden saßen wir noch im Auto auf den Weg nach Sulden in Südtirol, um uns nach einer halben Stunde dösend auf dem Autositz endlich per Skitour auf den Weg zum König Ortler zu machen. Ziel ist eine Skiabfahrt der Schückrinne, welche von Heini Holzer 1964 erstbefahren wurde und durch die 1.100 Meter hohe Ostwand des Ortlers verläuft.

Am Fuße der Schückrinne am Ortler

Ortler Skitour/Hochtour Schückrinne | Foto: Franz Mösbauer
Am Ortler bei einer Hochtour die Waden aufpumpen? In der Schückrinne kein Problem. | Foto: Franz Mösbauer

Mittlerweile baut sich vor uns das unstrukturierte Spaltengewirr am Fuß der Schückrinne auf, welches aber gut umgangen werden kann. Bald darauf wechseln wir unser Sportgerät. Skitourenski und Stöcke an den Rucksack, Steigeisen und Eispickel raus. Los geht’s! Mit einem beherzten Schritt über die Randkluft, bei der man immerzu hofft, dass der Schnee schon halten wird, sind wir endgültig am offiziellen Start der Rinne am Ortler. Während der eine Teil des Gehirns auf Sparflamme brennt, um die monotone Stapferei zu ertragen, läuft sich die zweite Hälfte warm, damit die Details für die Abfahrt gespeichert und später abgerufen werden können. Leider läuft dieser Modus nur kurz. Wir klettern durch steile, bobbahnähnliche Lawinenrinnen, aus denen wohl jeden Moment ein Hackl Schorsch daher kommen könnte und die aus den Engstellen im unteren Bereich runterziehen und durch zahlreiche Lawinen tief ausgefräst sind. Quasi eine Miniaturausgabe südamerikanischer Eisformationen. Hier soll es später mit Ski runtergehen? Die ersten Zweifel kommen auf. Zwar kommt durch diese Formationen ein wenig Eiskletterfeeling auf, spätestens nach der zweiten Engstelle wird uns aber klar, dass wir hier im unteren Drittel mit Ski nicht viel verloren haben, um diese Runsen halbwegs sicher abzufahren. Nachdem wir die letzte Engstelle passiert haben, ist klar, dass wir uns vom Gipfel des Ortlers einen anderen Weg nach unten suchen dürfen. Aber erstmal müssen wir überhaupt oben ankommen. Inzwischen laufen beide Gehirnhälften auf Sparflamme und der gelegentliche Blick auf den Höhenmesser deprimiert. Mühsam gestaltet sich das Gestapfe durch die 45 bis 55 Grad steilen Hänge. Eigentlich hatte ich mir mal geschworen, solche monotonen Quälereien in Firnhängen nicht mehr zu machen. Jetzt weiß ich wieder warum. Der Vorsatz wird aber vermutlich nur so lange anhalten, bis die nächste Skiabfahrt lockt.

Am Ortler-Gipfel bläst ein eisiger Wind

Am Gipfel bläst ein eisiger Wind. Schnell runter vom Ortler heißt daher die Devise. | Foto: Franz Mösbauer
Am Gipfel bläst ein eisiger Wind. Schnell runter vom Ortler heißt daher die Devise. | Foto: Franz Mösbauer

Aber alles findet schließlich ein Ende und letztlich dürfen wir uns auf den finalen 50 Metern hoch zum flachen Gipfelplateau des Ortlers über die Spur eines Nordwandbezwingers freuen, der kurz vor uns ausgestiegen ist. Light and Fast. Viel hatte er nicht dabei – im Gegensatz zu uns. Wir sind froh über die Abfahrt und dass wir nicht die 2.000 Höhenmeter zu Fuß runtermüssen. Etwas verspätet und fertiger als geplant stehen wir schließlich am neuen Gipfelkreuz des Ortlers. Doch so richtig genießen können wir den Moment nicht, da der Wind einfach zu kalt bläst.

Harter Schnee: Harte Abfahrt

Ortler Skitour/Hochtour Schückrinne | Foto: Franz Mösbauer
Kurz vor der Abfahrt: Bretthartes Vergnügen am Ortler. | Foto: Franz Mösbauer

Lieber schnell wieder das Sportgerät wechseln und über die Minnigerode-Rinne raus aus dem Wind und runter in wärmere Gefilde. Obwohl die Sonne bereits einen halben Vormittag lang in die Rinne leuchtet, kann der Schnee nicht als firnig bezeichnet werden. Eher als verdammt hart. Mehr als gewohnt rutschen wir seitlich ab und selten kommt ein Schwung hinzu. Entspanntes Skifahren schaut anders aus. Nach einer Querung in die Nachbarrinne verlassen wir die Felsabsätze und kommen in eine im Vergleich herrlich fahrbare Rinne, die auf den flachen Suldenferner führt. Jetzt darf genossen werden. Die Kaltfront vom Vortag hat ein paar Zentimeter Neuschnee gebracht und so geht es entspannt, an den Wänden von Zebru und Königspitze vorbei, hinab nach Sulden. Überraschend wenig ist hier los, doch mit uns kommt noch ein anderer Skitourengeher am Parkplatz an, der uns mit zu unserem Auto nimmt.

Infos zur Schückrinne am Ortler

Ortler, Schückrinne (1.100 Höhenmeter, 45 bis 60 Grad): Schöne, klassische Eistour durch die Ostwand des Ortlers. Bei der Planung sollte die ostseitige Exposition mit berücksichtigt werden. Zwar halten sich die Schwierigkeiten in Grenzen, aber es gibt gewisse Längen im Verlauf. Eisgeräte und Steigeisen sind unbedingt erforderlich sowie eine gute Kondition, denn die Stapferei geht gehörig auf die Beine und die Wadenmuskulatur.

  • Zustieg: Von Sulden über die Skipiste zur Langenstein-Hütte und weiter zum Einstieg der Schückrinne oberhalb des Ende-der-Welt-Ferners (etwa 1.000 Höhenmeter).
  • Dauer Aufstieg und Abstieg/Abfahrt: Die Dauer des Aufstiegs zum Ortler-Gipfel durch die Ostwand hängt stark von den Verhältnissen (Neuschnee vs. Spur) ab, auch beeinflussen Kondition und Ausrüstung (ohne oder mit Ski als Zusatzgewicht) die benötigte Zeit. Anhand von Schwierigkeit und Länge der Tour (1.000 Höhenmeter, 45 bis 60 Grad) sollte sich jeder, der die Besteigung des Ortlers angehen möchte, seinen eigenen Zeitplan zusammenstellen. Der Abstieg vom Ortler-Gipfel erfolgt entweder über den Winter-Normalweg nach Trafoi oder über die Minnigerode-Rinne (450 Höhenmeter, 45 bis 50 Grad) nach Sulden.
  • Ausrüstung: Hochtourenausrüstung, zum Teil Eiskletterausrüstung, Skitourenausrüstung
  • Beste Jahreszeit: Für eine Skibefahrung ist wohl tendenziell der kühlere März oder April anzupeilen, wenn noch nicht die Lockerschneelawinen ihre Bahnen ausgegraben haben. In dieser Zeit sind die Bedingungen für eine Skibefahrung deutlich besser als bei unserer kombinierten Tour auf den Ortler im Mai. Heini Holzer gelang damals die Erstbefahrung auch Mitte April.
  • Anfahrt: Von Imst in Richtung Landeck/Reschenpaß, Ausfahrt Reschenpaß/St. Moritz , Reschenpaß, Schluderns, Sponinig, in Sponinig rechts abzweigen Richtung Stilfser Joch. Bei Gomagoi zweigt man Richtung Suldental bis St. Gertraud nochmals ab.
  • Ausgangspunkt: St. Gertraud im Suldental (1.840 Meter), Parkplatz bei der Kirche in der Nähe der Bergschule
  • Karte: Kompass Karte Ortler / Ortles Cevedale WK 72

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