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Neuer Lawinen-Airbag von Ortovox

Ortovox Ascent 30 Lawinenrucksack mit Avabag-System im Test

8 Minuten Lesezeit
Mit dem Avabag bringt Ortovox ab Winter 2016/17 sein erstes eigenes Lawinenairbag-System auf den Markt. Zum Einsatz kommt es unter anderem in den Skitour-orientierten Rucksäcken der neuen Ascent-Serie. Christoph konnte den Ascent 30 bereits testen.

Der Markt der Lawinenairbag-Rucksäcke boomt. Immer mehr Hersteller springen auf den Zug auf und versuchen, mit innovativen Ansätzen zu punkten oder bereits bewährte Systeme in ihre Rucksäcke zu integrieren. Hier sind die bekanntesten Marken und Systeme, die derzeit am Markt zu finden sind. Das System von Airbag-Pionier ABS wurde von vielen Herstellern übernommen und in die eigenen Rucksäcke integriert und konnte dadurch einen hohen Marktanteil erlangen.

Avabag – Das eigene Lawinenairbag-System von Ortovox

Ortovox hat jetzt auch ein eigenes Lawinen-Airbag-System: den AVABAG. | Foto: Christoph Oberschneider
Ortovox hat jetzt auch ein eigenes Lawinen-Airbag-System: den AVABAG. Verfügbar in den Modellen Freerider (links) und im Ascent (rechts) | Foto: Christoph Oberschneider

Auch Ortovox verbaute das ABS-System in den eigenen Rucksäcken. Im Hintergrund arbeitete der bayrische Sicherheitsexperte jedoch schon seit einiger Zeit an einer Lösung, um unabhängiger von Fremdherstellern zu werden und eigene Ideen und Verbesserungen einfließen zu lassen.
Vorhang auf für den AVABAG, eine Eigenentwicklung von Ortovox mit dem Ziel, eine äußerst kompakte, leichte und gleichzeitig sichere Airbageinheit zu schaffen.

 

Wie funktioniert der Ortovox Avabag?

Prinzipiell ist der Avabag ähnlich aufgebaut wie das Mammut R.A.S.-System: Durch kräftigen Zug am Auslöser wird eine mit Stickstoff gefüllte Kartusche durchstoßen (ein rein mechanisches System im Gegensatz zum pneumatischen System bei ABS mit Explosionsladung im Griff). Der Airbag wird dann durch den Druck aus der Kartusche und zusätzlich durch Ansaugen von Umgebungsluft innerhalb von drei Sekunden aufgeblasen. Die Vorteile dieses rein mechanischen Systems liegen auf der Hand: Die Einheit ist unempfindlich gegenüber äußeren Einflüssen, die zu Vereisung oder Korrosion führen können. Außerdem lassen sich (mit ausgebauter Kartusche) beliebig viele Trainings-Auslösungen durchführen. So kann der Bewegungsablauf für den Ernstfall geübt werden.

 

Gewicht, Aufbau und Auslöser

Mit dem Avabag-System sind beliebig viele Testauslösungen möglich (ohne Kartusche). | Foto: Christoph Oberschneider
Mit dem Avabag-System sind beliebig viele Testauslösungen möglich (ohne Kartusche). | Foto: Christoph Oberschneider

Um das ganze System kleiner, leichter und sicherer zu machen, hat sich Ortovox einiges einfallen lassen. Die Airbaghülle weist keine Nähte auf. Die Einzelteile werden verschweißt und sind dadurch reißfester. So kann die Hülle sehr kompakt gefaltet werden (und bietet natürlich trotzdem die üblichen 160 Liter Füllungsvolumen). Die Airbageinheit ist herausnehmbar und kann so auch mit anderen Rucksäcken aus der Avabag-Produktreihe verwendet werden.

Das Gewicht der Airbageinheit (ohne Kartusche) beträgt rekordverdächtige 690 Gramm, das Volumen in gepacktem Zustand knappe 1,8 Liter. Zum Vergleich: Das bis dato leichteste System (Alpride von Scott) wiegt 800 Gramm (ebenfalls ohne Kartusche).

Der Auslöser ist nicht in der von vielen anderen Herstellern bekannten Hebelform gehalten, sondern ist etwas abgerundet. Er weist eine sehr griffige Oberfläche auf und ist auch mit dicken Skihandschuhe sicher zu greifen. Das System liegt nicht am Trageriemen an, sondern steht leicht schräg nach vorne unten ab. So ist es sehr einfach zu erreichen. Außerdem ist der Auslöser in zwei Schritten längenverstellbar, also ideal an den Träger anpassbar. Bei Nichtgebrauch lässt man den Griff einfach in einer Tasche am Schultergurt verschwinden, ohne ihn dafür abmontieren zu müssen.

Wichtiger Hinweis: Bei der Längeneinstellung des Auslösegriffs muss unbedingt darauf geachtet werden, dass Längeneinstellung am Auslösegriff und am Führungskanal im Schultergurt gleich in beiden Fällen gleich eingestellt ist, d.h. entweder auf S oder L. Eine ausführliche Erklärung gibt’s im Video unten.

Was sind also die wichtigsten Vorteile des neuen Ortovox Avabag-Systems:

  • 690 Gramm und damit außergewöhnlich leicht
  • 1,8 Liter Volumen  – und damit sehr klein
  • Auslöse-Training ohne eingebaute Kartusche – und damit sicher

Das hat übrigens auch die ISPO Award-Jury überzeugt – die das Avabag-System zum Product of the Year gewählt hat.

Ortovox Ascent 30 Rucksack: Volumen = Packvolumen

Ortovox gibt das Füllvolumen der Avabag-Rucksäcke mit eingebautem Airbagsystem an. Das heißt, dass der Rucksack Ascent 30 auch wirklich 30 Liter Packvolumen besitzt. Nach Ausbau der Airbageinheit hat er entsprechend mehr!

Ansonsten bietet der getestete Ascent 30 eine hohe Verarbeitungsqualität und schicke Optik,  die man von Ortovox gewohnt ist. Der Tragekomfort ist hervorragend. Schlaufen als Befestigungsmöglichkeit für Pickel, Ski oder Snowboard sind (natürlich!) vorhanden und Extras wie das separate Helmnetz runden den positiven ersten Eindruck ab.

 

Der Lawinenrucksack im Praxistest

Die technischen Daten lesen sich ja recht beeindruckend. Aber wieviel merkt man davon in der Praxis? Ich bin seit ein paar Jahren mit einem Mammut R.A.S. Pro 35 unterwegs und auch ziemlich zufrieden damit. Der Rucksack ist kein Leichtgewicht, aber ich lege als Fotograf mehr Wert darauf, dass die ganze Ausrüstung samt Kamera(s) Platz hat und ich eher zu viel als zu wenig mit auf den Berg schleppen kann. Nach den ersten paar Skitagen im Jahr gewöhne ich mich an das hohe Gewicht am Rücken und spüre davon irgendwann gar nichts mehr.

Umso gespannter bin ich natürlich auf die erste Tour mit dem Ortovox Ascent inklusive Avabag. Beim Packen gibt es gleich eine kleine Ernüchterung: Obwohl die 30-Liter-Version ein echtes Raumwunder ist, musste ich deutlich platzsparender packen als bei meinem 35-Liter-Rucksack. Ist ja auch klar, fünf Liter mehr oder weniger machen schon etwas aus. Der Mammut-Rucksack hat aber seitlich eine Tasche, in die auch eine große Trinkflasche locker reinpasst. Beim Ortovox Ascent findet sich so eine praktische Tasche leider nicht, also muss die Flasche in den Innenraum und nimmt da natürlich recht viel Platz in Anspruch. Schweren Herzens lasse ich die Primaloft-Jacke zuhause (richtig kalt war’s in diesem Winter ja eh nicht).

Beim Aufstieg dann der Aha-Moment: Irgendwie geht’s schneller bergauf, und mir tun meine alten Knochen auch erst deutlich später weh als sonst. Der Gewichtsvorteil lässt sich also nicht leugnen. Aber das hatte ich ehrlich gesagt auch erwartet. Beim Aufstieg macht sich das früher oder später immer bemerkbar. Aber bei der Abfahrt?

Abfahrt mit dem Ortovox Ascent 30

Test-Fazit: Die Abfahrt macht mit einem leichten Rucksack wie dem Ortovox Ascent deutlich mehr Spaß. | Foto: Christoph Oberschneider
Test-Fazit: Die Abfahrt macht mit einem leichten Rucksack wie dem Ortovox Ascent deutlich mehr Spaß. | Foto: Christoph Oberschneider

Ja, auch bei der Abfahrt bemerke ich den Gewichtsvorteil! Mit einem schweren Rucksack spürt man irgendwann gar nicht mehr, dass das Gewicht am Rücken jede Bewegung träger macht. Die Spritzigkeit leidet, bei schnellen Richtungswechseln zieht einen der Rucksack immer noch kurz in die Gegenrichtung. Ich bin daran gewöhnt und empfinde es auch nicht als besonders störend. Bisher hat mir einfach der Vergleich mit einem leichten Rucksack gefehlt. Das große Packvolumen und das Sicherheitsplus des Airbagsystems waren immer Motivation genug, das schwere Ding den Berg raufzuschleppen. Aber seit ich weiß, dass auch die Abfahrt mit einem leichten Rucksack deutlich mehr Spaß macht, darf der alte Lawinenrucksack nun endgültig zuhause bleiben. Und zwar nicht nur, wenn ich eine Skitour gehe, sondern auch beim „normalen“ Freeriden im Skigebiet. Das geringere Gewicht am Rücken lässt die Muskulatur nicht so rasch ermüden, man hat einfach länger Spaß im Schnee.

 

Testauslösung des Avabag-Systems

Zum Abschluss des Tests folgte dann noch die Test-Auslösung des Airbags. Der Zug am Auslöser muss recht kräftig erfolgen, dann füllt sich der Ballon innerhalb von circa drei Sekunden. Das ist der einfache Teil, schwieriger wird’s dann beim Druckablassen und Zusammenfalten des Airbags. Der Knopf für das Ablassventil verbirgt sich hinter einer Ventilsicherung, die zuerst herausgezogen werden muss. Die leere Kartusche wird herausgeschraubt und der Druck über das Ablassventil reduziert. Dann muss der leere Ballon nach einem vorgegebenen Muster gefaltet und komprimiert werden. Hier muss man mit relativ viel Kraftaufwand und sehr genau arbeiten, sonst passt das Ganze nicht in den Rucksack und man darf wieder von vorne beginnen. Wenn der Ballon dann verstaut ist, wird die Ventilsicherung wieder in Position gebracht und die Nadel, die die Kartusche ansticht, mit dem beigelegten Reaktivierungswerkzeug wieder in die Ausgangsposition gebracht. Nun ist das Airbagsystem (mit gefüllter Kartusche) wieder einsatzbereit.

Kleiner Bruder des Ascent: der Ortovox Freerider

Wem der Ascent zu voluminös für seine Skitouren ist, der kann auf das Modell Freerider zurückgreifen. Auch für dieses Modell ist der Avabag kompatibel – das Airbagsystem kann mit verschiedenen Lawinenrucksäcken von Ortovox verwendet werden. Für alle, die mit leichtem Gepäck unterwegs sind – etwa beim Freeriden – ist das eine echte Alternative.

 

Test-Fazit zum Ortovox Ascent 30 Avabag

Ortovox ist es gelungen, mit dem Avabag das derzeit leichteste Airbagsystem auf den Markt zu bringen, ohne dabei Abstriche bei der Sicherheit machen zu müssen. Der voll verschweißte Ballon ohne Nähte, die geschlossene, mechanische Bauweise des Systems und der ergonomische Auslöser stellen sinnvolle Verbesserungen dar und zeigen, dass das Team von Ortovox viel Zeit und Aufwand in die Entwicklung eines eigenen Airbagsystems gesteckt hat. In Kombination mit der bewährt hohen Fertigungsqualität der Rucksäcke ergibt das einen rundum gelungenen Eindruck mit nur minimalen Schwächen.

Positiv:

  • sehr geringes Gewicht, das sich auf jeder Tour und bei jedem Schwung bemerkbar macht
  • tolle Verarbeitung und hochwertige Optik
  • super Sitz, Tragekomfort und sinnvolle Details
  • beliebig viele Testauslösungen möglich
  • Airbagsystem ausbaubar
  • gut erreichbarer & längenverstellbarer Auslöser

Negativ:

  • Qualität hat ihren Preis …
  • Ventil für den Luftablass fummelig zu erreichen
  • kein Rucksack-Modell mit mehr als 30 Litern Packvolumen erhältlich

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