- Der Entwicklungsfokus liegt auf Lawinenairbags mit elektronischer Auslösung.
- Auch Gaskartuschen-Systeme sind weiterhin verfügbar.
- Unabhängig vom System: Rucksäcke mit Lawinenairbag erhöhen die Überlebenschance bei einem Lawinenunglück.
Sicherheit am Berg – das Thema hat im Freeride- und Skitourenbereich nichts von seiner Aktualität verloren. Ein Produkt, das die Sicherheit am Berg maßgeblich erhöhen soll, ist der Lawinenrucksack. Sein Einsatz ist oft noch immer eine Glaubensfrage. Fakt ist jedoch, dass die hochtechnisierten Rucksäcke die Überlebenschancen bei einem Lawinenunglück erhöhen können. Deshalb entwickeln Hersteller immer neue Systeme, die mit noch mehr Funktionen und noch weniger Gewicht überzeugen sollen.
Großes Angebot an Lawinenrucksäcken
Über zwei Jahrzehnte wurden nur von einem Hersteller Lawinenrucksäcke angeboten: ABS. Allerdings hat die Konkurrenz auf dem Markt nicht geschlafen und sich in den letzten Jahren mit neuen Systemen und Rucksäcken deutlich verstärkt. Die erfreulichen Konsequenzen für den Endkunden sind ein wachsendes Angebot, sinkende Preise und innovative Produktalternativen. Gleichzeitig wird der Markt aber auch unübersichtlicher. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen, die unterschiedlichen Airbag-Rucksäcke zu vergleichen und sich zu informieren, welches System die persönlichen Anforderungen am besten erfüllt.
Bergzeit
Welche Systeme gibt es am Markt?
Aktuell findest Du am Markt vier verschiedene Airbag-Systeme. Zwei dieser Systeme lösen elektronisch den Airbag aus und die anderen zwei Systeme basieren auf Gaskartuschen.
Seit diesem Jahr setzen die Hersteller verstärkt auf elektronische Airbag-Systeme. Die Unterschiede sind hier in der Elektronik zu finden:
- Einbau eines akkubetriebenen Gebläsesystems, welches bei Knopfdruck die Luft in den Airbag bläst
- Verwendung von Superkondensatoren, welche die nötige Energie zur Auslösung des Gebläses speichern
Bei den Klassikern unter den Lawinenrucksäcken, also denen mit Kartuschensystemen, liegt der Hauptunterschied im Auslösesystem:
- mit Sprengsatz im Handgriff, durch welchen bei Knopfdruck das Gas in den Airbag strömt
- durch Handgriff mit Drahtzugsystem; bei Zug wird die Kartusche eingestochen und die Luft entweicht in den Airbag
Außerdem muss bei den Gaskartuschensystemen zwischen wiederbefüllbaren und nicht wiederbefüllbaren Kartuschen unterschieden werden. Viele Hersteller verkaufen vermehrt nur noch leichtere Carbonkartuschen anstatt der Varianten aus Stahl, da Erstgenannte mittlerweile deutlich günstiger produziert werden können und so der allgegenwärtigen Gewichtsoptimierung Rechnung getragen werden kann. Diese Systeme sind seit den 1980er Jahren im Einsatz und werden laufend weiterentwickelt.
Ortovox
Trend zu elektronischen Systemen
Der Entwicklungsfokus liegt derzeit klar auf Lawinenrucksäcken mit elektronischer Auslösung. Die Vorteile der Technologie sind simpel aber überzeugend:
- Testauslösungen möglich, um den Ernstfall zu proben
- Zuverlässige Auslösung, auch bei niedrigen Temperaturen
- Keine Einschränkungen bei Flugreisen, da keine Gaskartuschen
Podcast-Tipp: Lawinenrucksack-Beratung
Wie funktioniert eigentlich ein Lawinenrucksack und welches Airbag-System brauche ich bei welchem Einsatz? Diesen Fragen geht Bergzeit Moderator Jan in dieser Beratungsfolge nach. Zu Gast: Bergführer und Bergzeit Experte Michael Roepke.
Elektronische Lawinenrucksäcke: Die Systeme im Detail
Alpride | Airbag System E1 und E2
Mit dem Airbag-System E1 hat Alpride den Airbag-Markt revolutioniert. Zum einen ist das Alpride E1 ein elektronisches Airbag-System und somit generell noch neu im Handel. Doch anstelle eines Lithium-Akkus, wie beim Pieps bzw. Black Diamond Jet Force (Generation 1) hat Alpride Superkondensatoren eingebaut. Superkondensatoren sind passive elektronische Elemente, die elektrische Energie ohne chemische Reaktionen speichern können. Dies ist ein wahnsinniger Vorteil gegenüber klassischen Akkus, denn bei Temperaturen von -30 Grad bis zu +40 Grad können die Kondensatoren die gleiche Leistung erbringen. Du bist also bei nahezu jedem Wetter einsatzbereit.
Das Airbag-System E2 ist die Weiterentwicklung des bewährten Konzepts von Alpride. Es überzeugt mit weniger Gewicht und einem zwölf Liter größeren Airbag-Volumen.
Bei beiden Versionen führt der Einsatz von Kondensatoren dazu, dass zusätzlich Gewicht gespart werden kann. Denn die Kondensatoren wiegen deutlich weniger als herkömmliche Akkus – beim Alpride E1 beläuft sich das System-Gewicht auf 1.280 Gramm. Dieses Airbag-System zählt somit zu den leichtesten elektronischen Systemen aktuell am Markt. Und wie wir alle wissen, spielt das Gewicht eine große Rolle bei der Entscheidung, ob wir den Rucksack wirklich am Ende auf unsere Touren mitnehmen. Das E2-System bringt sogar nur 1.140 Gramm auf die Waage.
Verbaut ist das neue Alpride E1 unter anderem im Scott Patrol E1.
Und selbst Black Diamond überzeugte diese Technologie und die Amerikaner haben in ihrer neuen Reihe an Lawinenrucksäcken mit elektronischem System nun das Alpride E1 verbaut.
Wie lösen die elektronischen Alpride-Systeme E1 und E2 aus?
Anstatt eines Seilzugsystems bzw. Sprengsatzsystems, welches die Kartuschen öffnet und bei dem die ausgestoßene Luft (oder Gas) den Airbag aufbläst, ist ein kondensatoren-betriebenes Gebläse verbaut. Per Knopfdruck kann es einfach aktiviert werden und schon füllt sich der Airbag im Ernstfall. Für 24 Stunden ist der Kondensator geladen, sobald Du aber zwei AA-Batterien zusätzlich einlegst, bist Du die nächsten drei Monate einsatzbereit.
Du fragst Dich bestimmt, ob man der Technik so vertrauen kann, oder? Auch dafür hat Alpride gesorgt: Nach Einschalten des Systems führt die Elektronik einen Selbsttest durch und prüft alle Parameter und Komponenten. Die an der Außenseite des Rucksacks angebrachten LEDs zeigen Dir den Status und den Ladezustand an. Für ein optimales Aufblasen des Airbags sorgt die sogenannte Verdichter-Technologie (wie bei Turboladern) – mit sehr hohem Druck wird ein schnelles Aufblasen des Airbags ermöglicht.
Fazit: Alpride hat mit seinem Kondensator-System den Standard elektronischer Systeme weiter nach oben gesetzt und in allen Bereichen „abgeliefert“. Keine Probleme bei Flügen – Check! Mehrfachauslösung – Check! Genügend Stauraum und leichtes System – Check! Also Airbag einschalten nicht vergessen und los geht’s!
BCA | Float E2
Auch BCA hat ein elektrisches Avalanche-Airbag-System auf dem Markt – das Float E2. Das System ist mit einem Alpride E2 Supercapacitor ausgestattet, der bei Auslösung den Kompressor mit Energie versorgt. Im Vergleich zum Vorgängermodell – dem Alpride E1 – ist der Motor 40 Prozent kleiner und zugleich 25 Prozent leichter. Insgesamt ist der Supercapacitor leistungsstärker und löst auch bei kalten Temperaturen zuverlässiger aus. Der BCA Float E2 Lawinenrucksack ist als 25 Liter- oder auch als 30 Liter-Variante erhältlich.
Ortovox | Avabag Litric
Ortovox bringt seinen ersten elektronischen Lawinenrucksack auf den Markt und setzt damit gleich neue Maßstäbe. Das elektronische Airbag-System Avabag Litric überzeugt mit extrem geringem Gewicht, intuitiver Bedienung und zuverlässiger Auslösung. Außerdem kannst Du die Base mit der Avabag Litric Airbag-Einheit dank eines Zip-On-Konzepts unkompliziert und je nach Tourenanforderung mit unterschiedlichen Rucksäcken an das Einsatzgebiet anpassen.
Das Produkt ist derzeit nicht verfügbar. Bitte berücksichtige den aktuellen freiwilligen Rückruf.
Lawinenrucksäcke mit Gaskartuschen: Die Systeme im Detail
Ortovox | Avabag
Der Avabag von Ortovox ist eines der innovativsten Airbag-Systeme der letzten Jahre. Dank einer neuen Airbag-Verarbeitungstechnologie schaffte Ortovox es, das Systemgewicht bei nur 690 Gramm zu halten und bietet somit einen der leichtesten Lawinenrucksäcke am Markt. Gleichzeitig ist auch das Packmaß minimalistisch gehalten und sorgt für mehr Stauraum im Rucksack selbst.
Was ist beim Ortovox Avabag so besonders?
Mammut | Airbag Technology 3.0
Mammut hat gleich zwei eigene Airbag-Systeme für Lawinenrucksäcke auf dem Markt und diese mittlerweile schon in der dritten Generation. Das System an sich ist dasselbe, jedoch haben beide unterschiedliche Schwerpunkte.
Das Removable Airbag System 3.0 (R.A.S.) fällt vor allem durch sein federleichtes Gewicht auf und kann, wie der Name schon verrät, auch aus dem Lawinenrucksack komplett herausgenommen werden. Mit nur rund einem Kilogramm Gewicht (bei einer Carbon-Kartusche) wiegt das System nicht mehr als ein Liter Wasser. Und umso leichter der Airbag im Rucksack, desto eher hat man ihn auf dem Rücken.
Beim Proctection Airbag System 3.0 (P.A.S.) liegt der Fokus im Vergleich auf Traumaschutz dank 3D-Form. Der Airbag legt sich bei der Auslösung schützend um Deinen Kopf, Nacken und Brustbereich und schützt Dich so vor mechanischen Verletzungen während einer Lawine. Die Airbags beider System sind außerdem in Knallorange eingefärbt, damit Du im Falle einer Verschüttung möglichst schnell lokalisiert werden kannst.
Wie funktioniert das Auslösen bei der Mammut Airbag Technology 3.0?
Der orange-farbene Auslösegriff ist höhenverstellbar und auf jede Körpergröße perfekt anpassbar. Mit seiner T-Form ist er auch für den Einsatz mit Fäustlingen geeignet und kann neuerdings auch dank Faltmechanik platzsparender im Schulterträger verstaut werden.
Sobald Du an diesem Handgriff ziehst, löst Du das Airbag-System mittels vorgespannter Auslösemechanik aus. Die Auslösemechanik ist ganz einfach vorzuspannen: Dazu einfach die Kartusche reinschrauben und schon ist der Drahtzug gespannt! Oder, wie Mammut das nennt: Screw in and ready!
Sobald Du am Handgriff ziehst, aktivierst Du die Mechanik und mithilfe einer Nadel wird die Druckkartusche geöffnet. Nach dem Einsatz kannst Du über das Inflationssystem die Luft aus dem Airbag entlassen und lässt Deine Kartuschen bei einem Mammut-Händler austauschen.
Fazit: Der leichtere und entnehmbare R.A.S Airbag ist definitiv der Airbag für Touren, wo jedes Gramm eine Rolle spielt. Der 3D-geformte P.A.S. Airbag bietet Dir rundum Sicherheit und ist Dein perfekter Begleiter, wenn Du möglichst viel Schutz haben möchtest. Beide Systeme lösen in etwa drei Sekunden aus. Die Technologie wird von Mammut stets weiterentwickelt.
Arva | Reactor
Das Reactor-System von Arva ist mit einem Zwei-Kammer-Airbag ausgestattet. Seine Form und Position sind so konzipiert, dass ein maximaler Auftriebseffekt in der Lawine gewährleistet werden kann. Aber dieses Airbag-System überzeugt nicht nur dank seiner Doppelkammer, sondern auch in puncto Gewicht und Packmaß. Mit nur 680 Gramm ist der Reactor das leichteste und kompakteste Zweikammer-Airbag-System für Lawinenrucksäcke.
Wie löst der Arva Reactor aus und worauf musst Du achten?
Der Airbag ist seitlich und am Kopf des Rucksackes angebracht und spart somit reichlich Platz im Innenraum. Hinzu kommt ein größenverstellbares Rückenteil und ein sich automatisch anpassender Handgriff. Von Größe S bis L ist für jeden die perfekte Passform gegeben. Bevor Du Deine Tour startest, solltest Du den Handgriff auf jeden Fall ausklappen, da sonst der Airbag nicht ausgelöst werden kann. Die Basis des Auslösemechanismus ist wieder ein Drahtzugsystem, durch welches bei Benutzung die Kartusche durchstochen wird und innerhalb weniger Sekunden der Airbag gefüllt wird. Sobald Du Deinen Reactor Airbag auslösen musstest, kann die Kartusche allerdings nur von Arva selbst wiederbefüllt werden.
Fazit: Der Made in France Airbag von Arva liegt mit seinem Gewicht deutlich vorne! Das System ist in sechs verschiedenen Rucksackmodellen erhältlich, um einen Lawinenrucksack für jedes Einsatzgebiet liefern zu können. Aber auch in puncto Nachhaltigkeit überzeugt Arva. Mit dem Arva Calgary 18 haben sie den weltweit ersten umweltfreundlich hergestellten LVS-Rucksack auf den Markt gebracht. Kleiner Geheimtipp für alle Freeriderinnen und Freerider!
ABS | Twin Bag Airbag System
ABS ist das Urgestein im Bereich Lawinenairbags! Die Lawinenrucksäcke von ABS sind mit dem eigens entwickelten Twin Bag System ausgestattet. Nicht nur ein Airbag, nein, gleich zwei sollen Dich im Ernstfall vor der Verschüttung retten. Beide Airbags sind mit separaten Ventilen ausgestattet und halten im Ernstfall die Luft auch separat. Geht also einer kaputt, bleibt immer noch ein zweiter.
Dank der zwei Airbags ist die Auflagefläche größer als bei Mono-Airbags, was ein großes Plus ist. Denn eine große Auflagefläche ist essentiell, um nicht verschüttet zu werden. Außerdem befördert Dich der Twin Bag aufgrund seiner seitlichen Anbringung in eine horizontale Lage und reduziert so die Gefahr des Ankereffekts (= das Verhaken des Airbags und die mögliche Verschüttungsgefahr im Auslaufbereich der Lawine). Zudem kann der Schnee während einer Lawine vom Kopf abfließen und sammelt sich nicht im Nacken.
ABS
Wie löst das ABS-System aus?
Im Handgriff ist ein kleiner Sprengsatz eingebaut. Sobald dieser ausgelöst wird, geht ein Kolben nach oben und die integrierte Feder trifft auf die Patrone. Die Patrone stößt gegen die im Griff enthaltene Nadel und dadurch kommt es zu einer Explosion. Die ausströmende Druckwelle gelangt über den Schlauch in die Anstecheinheit und drückt den Kolben in die Kartusche. 300 bar Druck werden nun frei und verteilen sich auf die beiden Airbags. Und das alles innerhalb von zwei bis drei Sekunden!
Das wohl Interessanteste ist, dass der Handgriff abnehmbar ist. Man kann ihn nicht nur an beiden Seiten des Rucksacks anbringen, sondern den Lawinenrucksack damit auch auf Flugreisen ohne Probleme transportieren.
Ein weiterer Vorteil dieses Auslösesystems ist die Temperatur-Unabhängigkeit. Auch bei niedrigsten Temperaturen und an äußerst stürmischen Tagen schützt Dich der Twin Bag Airbag zuverlässig.
Und falls Du Deinen Airbag auslösen musstest, kannst Du die Kartuschen ganz einfach beim Service nachfüllen lassen. Du kannst dabei zwischen Stahl- oder Carbon-Kartuschen wählen – je nach Budget und Einsatzgebiet. Dann musst Du nur noch einen neuen Griff anbringen und schon ist Deine Safety-Ausrüstung wieder bereit fürs Gelände.
Fazit: Das Twin Bag System von ABS ist ein sehr sicheres System, das sehr gut funktioniert. Die ABS-Rucksackmodelle decken jedes Einsatzgebiet ab – von der leichten Tagestour über Freeriden im feinen Powder bis hin zu Skidurchquerungen im Backcountry.
Pieps und Black Diamond | Jet Force
Pieps und Black Diamond haben gemeinsam ein elektronisches Airbag-System entwickelt und waren damit sogar die ersten auf dem Markt. Doch wie oben schon erwähnt, hat Alpride mit seinem Kondensatoren-System das akkubasierte Jet Force System größtenteils abgelöst. Pieps vertreibt weiterhin Lawinenrucksäcke mit dem Jet Force-Airbag, diese funktionieren auch sehr ähnlich wie der Kondensator-Airbag von Alpride. Es liefert lediglich ein integrierter Akku die nötige Energie, um den Airbag auszulösen.
Wen also ein paar Gramm mehr zum Tragen nicht stören, hat mit dem Jet Force dennoch einen super Airbag mit auf Tour!
Damenspezifische Modelle für mehr Tragekomfort
Die meisten Hersteller bieten derzeit überwiegend Unisex- bzw. Herren-Modelle an, natürlich in verschiedenen Größen, aber manchmal passt es Frau eben doch nicht zu 100 Prozent. Zum Glück gibt es aber ein paar Modelle, die an die weibliche Anatomie angepasst wurden. Sie sorgen für einen besseren Sitz und auch kleinere Frauen finden leicht ein passendes Modell. Hier haben wir für Dich einen kleinen Überblick über Lawinenrucksäcke für Frauen oder kleinere Personen:
Lawinenrucksack: Lediglich Ergänzung zur Sicherheitsausrüstung
Ein Lawinenrucksack ist zweifelsfrei eine sinnvolle, ergänzende Sicherheitsausrüstung, weswegen ein Kauf durchaus seine Berechtigung hat. Jeder Skitourengeher und jede Freeriderin sollte sich aber vorher die Frage stellen, ob sie auch persönlich bestmöglich auf das Bergabenteuer vorbereitet sind.
Denn: In 90 Prozent aller registrierten Lawinenunfälle wird die Lawine vom Skifahrer bzw. seiner Gruppe selbst ausgelöst.[1]
Bergzeit
Kameradenrettung ist die wichtigste Hilfe
Habe ich das Glück und überlebe den Lawinenabgang, kann mich aber selbst nicht von den Schneemassen befreien, verschlechtern sich meine Überlebenschancen als Komplettverschütteter extrem schnell. Schon nach 30 Minuten liegt – statistisch betrachtet – die Überlebenswahrscheinlichkeit nur noch bei 40 Prozent.[2] Professionelle Hilfe ist – ebenfalls statistisch betrachtet – in den meisten Fällen erst nach über 40 Minuten am Unfallort.
Wichtigstes Hilfsmittel nach einem Lawinenunfall ist und bleibt die Kameradenrettung, einschließlich der dafür erforderlichen Ausrüstung und Übung.
Was ein Airbag-Rucksack kann (und was nicht)
Ein Lawinenrucksack kann niemals eine solide Ausbildung im Lawinen-Risiko-Management, einen gesunden Menschenverstand und die Freeride-/Skitouren-Grundausstattung (Schaufel, Sonde, LVS plus Erste-Hilfe-Set und Skihelm) bzw. deren geübte Anwendung ersetzen.
Er kann nur einen zusätzlichen Sicherheitsspielraum bieten – wenn zuvor eine Fehlentscheidung bei der Hangbeurteilung begangen, ohne Selbstverantwortung einem risikoblinden Gruppenmitglied gefolgt oder das Glück zu sehr herausgefordert wurde.
Ein Lawinenairbag hilft nicht beim Ausgraben eines verschütteten Freundes. Er erhöht einzig die Wahrscheinlichkeit einer geringeren Verschüttungstiefe und die Chance, an der Oberfläche sichtbar liegen zu bleiben, um schneller gerettet zu werden – oder um sich im Idealfall selbst zu befreien.
Logische Konsequenz:
Ein Lawinenrucksack ohne zusätzliche LVS-Grundausstattung und vorherige Lawinenkurse ergibt keinen Sinn!
Kann ein Lawinenairbag helfen, eine Verschüttung zu verhindern?
Nichtsdestotrotz können zusätzliche Ausrüstungsgegenstände die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einem Lawinenunfall positiv beeinflussen. Man unterscheidet zwischen Rettungssystemen, die eine Verschüttung möglichst verhindern (Lawinenairbag), eine raschere Ortung des Verschütteten ermöglichen (Lawinenball) oder dafür sorgen, dass man als Verschütteter länger in einer Lawine überleben kann (AvaLung von Black Diamond, Airsafe von Ferrino).[2] Allerdings scheint einzig die Wirksamkeit des Lawinenrucksacks auch fundiert erwiesen zu sein.[3]
Keines dieser zusätzlichen Rettungssysteme kann eine Verschüttung mit hundertprozentiger Sicherheit verhindern. In den letzten Jahren wurden immer wieder Skifahrer trotz eines Lawinenairbags – der zum Teil nicht ausgelöst hat – ganz verschüttet.
Deshalb müssen diese Systeme immer mit der Grundausstattung (LVS, LVS-Sonde, Schaufel plus Erste-Hilfe-Set und Helm) sowie solidem Lawinenwissen kombiniert werden. Innerhalb einer Gruppe muss immer gewährleistet sein, dass die Kameradenrettung geübt wurde und routiniert ablaufen kann.
Quellen
- W. Munter, 3×3 Lawinen. Risikomanagement im Wintersport. 3. Auflage, Verlag Pohl & Schellhammer, Garmisch-Partenkirchen, 2009.
- H.-J. Etter, J. Schweizer, T. Stucki, Die Alpen, 2/2009, Schweizer-Alpen-Club SAC, 2009.
- L. Meier, S. Harvey, Feldversuche mit Lawinen-Notfallgeräten Winter 2010/2011, WSL Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos, 2011
Lawinenrucksäcke im Test
- Deuter Alproof Lite 20 SL: kompakter Lawinenrucksack im Test
- Im Test: Der Mammut Tour 30 Removable Airbag Lawinenrucksack
- Bergzeit Test: Lawinenrucksäcke im Vergleich
- Arva Reactor UL 15 Lawinenrucksack im Test
- ABS s.Light Base Unit und s.Light 30 Zip-On: Lawinenrucksack im Test
- LVS-Set und Lawinenrucksack von BCA im Test
- Der Millet Trilogy 30 E-1 Lawinenrucksack im Test
- Ortovox Ascent 30 Lawinenrucksack mit Avabag-System im Test
- Deuter OnTop ABS 30: ABS-Lawinenrucksack im Test
- ABS P.Ride Lawinenairbag mit Fernauslösung im Test
Mehr zum Thema Lawinensicherheit
- Was brauchst Du um sicher abseits der Piste unterwegs zu sein?
- LVS-Geräte im Vergleich: Marktüberblick
- Lawinenlagebericht – was steht da eigentlich drin?
- Lawinensuche: Wie gehst Du im Ernstfall richtig vor?
- 9 Mythen über Lawinen: Unser Bergführer klärt auf
- „Ist das jetzt hier eigentlich lawinengefährlich?“
- Recco – braucht man das wirklich?