Inhalt
- Mythos 1: Lawinenwarnstufe 3 bedeutet eine mittlere Lawinengefahr
- Mythos 2: Im flachen Gelände bin ich vor Lawinen sicher
- Video: Mick klärt über Lawinenmythen auf
- Mythos 3: Wenig Schnee bedeutet keine oder nur geringe Lawinengefahr
- Mythos 4: Bäume schützen zuverlässig vor Lawinen
- Mythos 5: Die Erfahrung einer großen Gruppe schützt vor Fehlverhalten
- Mythos 6: In der Aufstiegs- bzw. Abfahrtsspur von anderen bin ich sicher
- Mythos 7: Im Umfeld von Skigebieten ist das Lawinenrisiko geringer
- Mythos 8: Als guter Skifahrer kann ich Lawinen davonfahren
- Mythos 9: Schwimmbewegungen halten mich an der Oberfläche
Mythos 1: Lawinenwarnstufe 3 bedeutet eine mittlere Lawinengefahr
Stimmt nicht! Mick Roepke: „Bei einer fünfstufigen Gefahrenskala liegt Warnstufe 3 natürlich genau in der Mitte. Schaut man sich die Lawinenskala aber genauer an, dann bedeutet Stufe 3 bereits erhebliche Lawinengefahr.“
Wieso ist das ein Mythos? „Der Dreier sieht zwar moderat aus und man kann bei dieser Gefahrenstufe auch unterwegs sein, man muss aber sehr, sehr genau wissen, was man tut.
50 Prozent aller Lawinenunfälle ereignen sich bei Stufe 3, 30 Prozent bei 2. Ein Prozent bei 5 und 10 Prozent bei 4. Die Stufen 2, 3 und 4 sind damit für 90 Prozent aller Lawinentoten verantwortlich.
Willst Du bei Stufe 3 sicher unterwegs sein, dann ist mein Tipp: Erkundige Dich bei den Locals, wie Hüttenwirten, Bergführern, Tourenführern. Und lerne, lerne, lerne sowie sammle immer weiter Erfahrungen“, erklärt Mick.
Mythos 2: Im flachen Gelände bin ich vor Lawinen sicher
Stimmt nicht! Mick Roepke: „Das erscheint im ersten Moment plausibel, aber Du musst Dir immer bewusst sein, welche Bedingungen und welche Hangneigungen sich links und rechts von Dir befinden.“
Wieso ist das ein Lawinen-Mythos? „Wenn wir in einer flachen Passage im Gebirge unterwegs sind und über uns noch Hänge mit einer Hangneigung über 30 Grad sind, dann kann sich der Einzugsbereich der Lawine weit über uns befinden.
Das ist vor allem für die Tourenplanung entscheidend und Du solltest Dir vorab anschauen, wie steil die umliegenden Hänge sind. Da gibt es heute bereits entsprechende Karten, wo die Gefährdungsbereiche hinsichtlich ihrer Steilheit gekennzeichnet sind.
Hinzu kommt, dass sich mit den Höhenlagen auch die Bedingungen ändern. Das sind neben der Steilheit auch die Temperatur, wodurch andere Bedingungen in der Schneedecke vorherrschen können, die dann ebenso zur Lawinenauslösung führen können. In der Höhe können sich ebenso die Windbedingungen ändern, die dann z.B. zu Triebschneeansammlungen führen können.
Und zuletzt kann es immer auch noch zur Auslösung durch andere Tourengeher kommen. In Bezug auf die Tourenplanung würde ich vorab in den Karten schauen, ob gegebenenfalls oberhalb eine Skiroute durchläuft“, gibt Mick als Tipp.
Video: Mick klärt über Lawinenmythen auf
Mythos 3: Wenig Schnee bedeutet keine oder nur geringe Lawinengefahr
Stimmt nicht! Mick Roepke: „Schwachschichten im Schnee können bei geringerer Schneedecke leichter gestört werden.“
Wieso ist das ein Mythos? „Bei einer geringen Schneedecke kann das Gewicht des Skifahrers auf einer viel kleineren Fläche verteilt werden und es können sich leichter labile Schwimmschneeschichten bilden. Hier ist das Schlagwort der Temperaturgradient. Dicke Schneedecken tragen generell besser und diese beginnen ab einer Schneehöhe von einem Meter.
Bei weniger Schnee kann außerdem der Untergrund eine größere Rolle spielen: Bist Du z.B. auf einer nicht gemähten Almwiese unterwegs, dann hat hier der Schnee natürlich eine bessere Gleitfläche. Dazu musst Du Dich allerdings sehr gut im Gelände auskennen.
Untersuchungen zeigen: Gerade in schneearmen Wintern passieren oft mehr Lawinenunfälle.
Was man in Bezug auf wenig Schnee noch miteinbeziehen sollte, sind schneearme Winter: Hier gab es tatsächlich Untersuchungen vom SLF in Davos, die zu dem Ergebnis gekommen sind, dass in schneearmen Wintern meist mehr Lawinenunfälle passieren. Abgeblasene Hänge und frei gewehte Geländerücken verleiten Skifahrer gerade dazu dort hinzufahren, wo noch Schnee ist. Und das sind häufig Mulden, in denen sich Triebschneeansammlungen gebildet haben. Hier solltest Du Dir vorab unbedingt den Schneedeckenaufbau anschauen und vor allem auch mit den Locals sprechen“, weiß Mick.
Pixabay
Mythos 4: Bäume schützen zuverlässig vor Lawinen
Stimmt nicht! Mick Roepke: „Grundsätzlich schützt der Wald vor Lawinen, aber mit Einschränkungen: Das ist abhängig davon, wie dicht die Bäume stehen, wie die Unterlage und das Gelände ist und vor allem, was man als Wald definiert.“
Wieso ist das ein Mythos? „Klar, im ersten Moment sagt man, dass Wald Lawinen abhält. Es werden ja auch schließlich Schutzwälder gebaut. Aber in einem natürlich wachsenden Wald sind die Abstände der Bäume nicht definiert. Deswegen kann ich mehr oder weniger freie Flächen innerhalb des Waldes haben sowie steilere Bereiche.
Hinzu kommt, dass Wälder meist aus unterschiedlichen Baumarten bestehen. In höheren Lagen sind das bei uns oft Lärchen, also Nadelbäume, die im Winter ihre Nadeln abwerfen und die dann eine ideale Gleitfläche bilden. Ein Lawinenforscher hat mal gesagt: ‚Wenn der Wald so dicht ist, dass man mit Ski oder Snowboard nicht mehr durchkommt, dann ist er sicher.‘“, erklärt Mick.
Mythos 5: Die Erfahrung einer großen Gruppe schützt vor Fehlverhalten
Stimmt nicht! Mick Roepke: „Das ist eine gefährliche Aussage, weil es genau umgekehrt sein kann und es ist wichtig zu wissen, dass eine größere Gruppe einen Hang deutlich stärker belastet als eine kleinere Gruppe.“
Wieso ist das ein Lawinen-Mythos? „Ab wann eine Gruppe als groß gilt, kann man nicht pauschal sagen. Das hängt immer von den Gegebenheiten ab. Als Bergführer beobachten wir das Gelände deshalb immer sehr genau und je nach Lawinenwarnstufe leiten wir unterschiedliche Maßnahmen ein, zum Beispiel das Einhalten von Abständen. So kann man die Last auf die Schneedecke mindern.
Bei einer großen Gruppe kommt auch immer noch der psychologische Aspekt hinzu: In der Gruppe kann man sich natürlich gegenseitig pushen und eventuell auch zu riskanterem Verhalten verleiten lassen.
Auch da braucht es Erfahrung und am besten jemanden, der die Verantwortung übernimmt“, rät Mick.
Bergzeit
Mythos 6: In der Aufstiegs- bzw. Abfahrtsspur von anderen bin ich sicher
Stimmt nicht! Mick Roepke: „Das ist leider nicht richtig, weil die sogenannten Hot Spots, also die Schwachstellen eines Hangs, über viele Bereiche verteilt und verdeckt sein können.“
Wieso ist das ein Mythos? „Da die Hot Spots so verteilt und nicht zu erkennen sind, kann man nicht sagen, dass das Gehen in einer Aufstiegsspur oder das Fahren in einer Abfahrtsspur anderer Tourengeher entsprechend sicher ist. Vor allem weil man nicht weiß, wie knapp jemand in der Abfahrt oder im Aufstieg an so einem Hot Spot vorbeigeschrammt ist.
Ein Stockeinsatz weiter rechts oder eine Skispur weiter links, kann schon eine Lawine auslösen. Sicher wird ein Hang erst, wenn er mit vielen Spuren pistenartig durchpflügt wurde“, sagt Mick.
Mythos 7: Im Umfeld von Skigebieten ist das Lawinenrisiko geringer
Stimmt nicht! Mick Roepke: „Die Skigebietsbetreiber sind zwar für die Sicherung der Pisten im Skigebiet verantwortlich, aber nicht für das komplette umliegende Gelände.“
Wieso ist das ein Mythos? „Zu diesem Mythos gibt es mittlerweile viele Untersuchungen und tatsächlich fühlen sich viele im Umfeld von Skigebieten sicherer. Vor allem, weil eben Skigebietsbetreiber für die Pistensicherung verantwortlich sind und dementsprechend nach Neuschneefällen sprengen.
Hinzu kommt, dass viele glauben, dass Rettungseinsätze in den Einzugsbereichen von Skigebieten schneller erfolgen können. Das verleitet dazu, mehr Risiken einzugehen. Das ist allerdings ganz fatal. Denn es wird zwar gesprengt und überwacht, man kann sich aber nie sicher sein, ob das auch in dem jeweiligen Bereich, wo man unterwegs ist, so ist. Die Lawinensituation wird ja immer nur rein für das Skigebiet betrachtet“, erklärt Mick.
Collins Lesulie/Unsplash
Mythos 8: Als guter Skifahrer kann ich Lawinen davonfahren
Stimmt nicht! Mick Roepke: „Das wäre super, wenn das so leicht ginge. Aber so ist es leider nicht. Wir sehen immer wieder Filme mit Profis, die in steilen Flanken Lawinen davonfahren. Das sind allerdings Lockerschneelawinen und wir haben es in der Regel mit Schneebrettlawinen zu tun.“
Wieso ist das ein Mythos?
Schneebrettlawinen können extrem schnell und vor allem großflächig abreißen. Das passiert in Bruchteilen einer Sekunde und da zieht es einem normalerweise die Beine schlagartig weg.
Solange man noch reagieren kann, sollte man versuchen zu den Seiten der Lawine rauszufahren. Das darf man sich allerdings nicht so einfach vorstellen. Deswegen: Ein Davonfahren aus einer Lawine mit hoher Geschwindigkeit ist nahezu unmöglich“, bestätigt Mick.
Mythos 9: Schwimmbewegungen halten mich an der Oberfläche
Stimmt zum Teil! Mick Roepke: „Mit dem Schwimmen im Schnee verbreitere ich meine Auflagefläche und mit den Schwimmbewegungen und dem Druck, den ich dadurch nach unten ausübe, kann ich versuchen an der Oberfläche der Lawine zu bleiben.“
Wieso ist das nur ein halber Lawinen-Mythos? „Schwimmbewegungen sind keine Garantie, dass man nicht verschüttet wird. Aber die Schwimmbewegungen vergrößern die Körperfläche, wie es z.B. auch ein Lawinenairbag macht. Somit hat man theoretisch mehr Auftrieb und kann sich weiter oben halten.
Deshalb solltest Du im Falle einer Lawinen auf jeden Fall Schwimmbewegungen versuchen, weil es die Chancen erhöht, nicht so tief verschüttet zu werden. Wichtig ist nur, dass Du, wenn die Lawine zum Stillstand kommt, die Hände und Unterarme vor das Gesicht nimmst und Dir so eine Atemhöhle machst“, gibt Mick als Tipp.
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